rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausdehnung des Prüfungszeitraums auf nur bei Vorliegen einer Steuerhinterziehung noch nicht verjährte Besteuerungszeiträume zulässig
Leitsatz (redaktionell)
1. Wurden die Umsätze einer Tierheilpraktikerin in einem ein Vorjahr betreffenden Klageverfahren als umsatzsteuerpflichtig beurteilt, so spricht vieles für das Vorliegen einer Steuerhinterziehung, wenn die Tierheilpraktikerin gleichwohl in den Folgejahren ihre Umsätze als umsatzsteuerfrei behandelt und keine Umsatzsteuererklärungen abgegeben hat.
2. Bei dieser Sachlage ist es nicht ernstlich zweifelhaft, dass das das Finanzamt auch noch für solche Besteuerungszeiträume eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung anordnen darf, für welche die ggf. erforderlichen Umsatzsteuerbescheide nur noch bei Vorliegen einer Steuerhinterziehung und bei einer dadurch auf zehn Jahre verlängerten Festsetzungsfrist erlassen werden können.
Normenkette
AO § 193 Abs. 1, § 194 Abs. 1 S. 2, § 169 Abs. 2 S. 2, § 370 Abs. 1; FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1; UStG § 4 Nr. 14
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
Tatbestand
I.
Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer Prüfungsanordnung.
Die Antragstellerin, die steuerpflichtige Umsätze aus ihrer selbstständigen Tätigkeit als Tierheilpraktikerin erzielt, gab hierfür seit 1996 keine Umsatzsteuererklärungen ab.
Mit Verfügung vom 13. November 2009 ordnete der Antragsgegner (das Finanzamt) bei der Antragstellerin eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung für die Besteuerungszeiträume 1996 bis 2008 an. Hiergegen legte die Antragstellerin hinsichtlich der Jahre 1996 bis 2001 Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung für die Zeiträume 1996 bis 2000. Über den Einspruch ist noch nicht entschieden. Die beantragte Aussetzung der Vollziehung lehnte das Finanzamt mit Verfügung vom 17. Dezember 2009 ab.
Mit dem bei Gericht gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bringt die Antragstellerin im Wesentlichen Folgendes vor:
Die Anordnung der Prüfung für die Jahre 1996 bis 2000 sei rechtswidrig, weil sie keine Steuerhinterziehung begangen habe. Sie habe zu keinem Zeitpunkt den Vorsatz gehabt, ihren steuerlichen Pflichten nicht nachzukommen. Da das Finanzamt über die Höhe und Art der Umsätze vollumfänglich informiert gewesen sei und gewusst habe, dass sie für diese Jahre in ihren Ausgangsrechnungen keine Umsatzsteuer ausgewiesen und auch keine entsprechende Umsatzsteuererklärungen abgegeben habe, habe sie den Tatbestand der Steuerhinterziehung nicht verwirklicht.
Die Antragstellerin beantragt,
die Vollziehung der Prüfungsanordnung vom 17. November 2009 für die Jahre 1996 bis 2000 wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit auszusetzen.
Das Finanzamt beantragt, den Antrag abzulehnen.
Es bringt im Wesentlichen vor, dass die Festsetzungsfrist für die zu prüfenden Zeiträume 1996 bis 2000 noch nicht abgelaufen sei, da die Antragstellerin durch die Nichtabgabe der Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1996 bis 2000 vorsätzlich gehandelt habe. Sie habe billigend in Kauf genommen, dass für die Umsätze aus ihrer Tätigkeit als Tierheilpraktikerin keine Umsatzsteuer festgesetzt wird, obwohl sie aufgrund eines im Jahre 1995 geführten Klageverfahrens in Sachen Umsatzsteuer 1990 gewusst habe, dass die Umsätze aus ihrer Tätigkeit umsatzsteuerpflichtig sind. Das fehlerhafte Verhalten der Finanzverwaltung ändere hieran nichts. Die Steuerhinterziehung durch Unterlassen sei bereits vollendet gewesen als die Veranlagung für den jeweiligen Besteuerungszeitraum abgeschlossen war. Dies gelte auch, wenn der Steuerpflichtige dem Finanzamt bekannt gewesen ist und dieses es unterlassen habe, diesen durch Zwangsmaßnahmen zur Abgabe einer Umsatzsteuererklärung anzuhalten, zu schätzen oder eine Außenprüfung anzuordnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamtsakte und die im Verfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Der Antrag ist unbegründet.
Bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen und auch ausreichenden summarischen Beurteilung des Sachverhalts anhand präsenter Beweismittel bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinne von § 69 Abs. 3 und Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) an der Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung vom 17. November 2009 für die Jahre 1996 bis 2000.
Das Finanzamt hat gegenüber der Antragstellerin zu Recht eine Außenprüfung angeordnet und den Prüfungszeitraum auch auf die Besteuerungszeiträume 1996 bis 2000 erstreckt.
Bei der Antragstellerin handelt es sich um einen Steuerpflichtigen im Sinn von § 193 Abs. 1 Abgabenordnung (AO). Der Anordnung der Umsatzsteuer-Sonderprüfung für die Besteuerungszeiträume 1996 bis 2000 steht auch nicht der Ablauf der Festsetzungsfrist entgegen.
Die Bestimmung des zeitlichen Umfangs einer Außenprüfung nach § 194 Abs. 1 Satz 2 AO stellt eine Ermessensentscheidung des Finanzamts dar, die nur der gerichtlichen Prüfung auf fehlerfreie Ermessensausübung gemäß § 102 ...