Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Geschäftsführers einer GmbH für kurz vor Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällige Körperschaftsteuervorauszahlungen
Leitsatz (redaktionell)
Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die GmbH eine Gewerbeabmeldung vorgenommen und der Antragsteller einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH gestellt hat, kann ihm nicht vorgeworfen werden, die fälligen Körperschaftsteuern sowie die dazu angefallenen Nebenleistungen pflichtwidrig nicht bezahlt zu haben. Insbesondere ist davon auszugehen, dass rund vierzehn Tage vor Beantragung des Insolvenzverfahrens keine Geldmittel mehr vorhanden gewesen sind, mit denen der Antragsteller die Steuerschulden hätte begleichen können.
Normenkette
AO §§ 69, 34
Tenor
Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe gewährt.
Tatbestand
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen den Bescheid vom 18. Mai 2009, mit dem er für Steuerschulden GmbH in Haftung genommen worden ist.
Der Antragsteller war seit 26. Februar 2008 alleiniger Geschäftsführer der GmbH.
Am 30. Juni 2008 nahm die GmbH eine Gewerbeabmeldung bei der Gemeinde vor, am 4. August 2008 stellte der Antragsteller beim Amtsgericht einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH, der vom Amtsgericht mit Beschluss vom 2. November 2009 mangels Masse abgelehnt worden ist.
Für die Zeiträume Januar bis Dezember 2007 sowie Januar bis August 2008 wurde eine Umsatzsteuersonderprüfung durchgeführt. Dabei wurden die steuerpflichtigen Umsätze zu einem Steuersatz von 19 % für das Jahr 2007, in dem die Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten erfolgte, anhand des festgestellten Zahlungseingangs angesetzt. Für die Voranmeldungszeiträume Januar bis August 2008, in denen die Besteuerung nach vereinbarten Entgelten erfolgte, nahm das Finanzamt (FA-Antragsgegner) eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen vor, da die Kontoauszüge nur lückenhaft zur Prüfung vorgelegt worden seien. Jeweils mit Vorauszahlungsbescheid vom 11. März 2009 wurde die Umsatzsteuer für den Prüfungszeitraum geändert.
Nachdem die GmbH die sich aus der geänderten Umsatzsteuerfestsetzung ergebende Nachzahlung nicht entrichtet hatte und die Beitreibung der Steuerrückstände erfolglos geblieben war, nahm das FA den Antragsteller mit Bescheid vom 18. Mai 2009 für rückständige Umsatzsteuer des Zeitraums März 2007 bis Mai 2008 sowie Körperschaftsteuer für 2006, für das vierte Kalendervierteljahr 2007 und das dritte Kalendervierteljahr 2008 sowie Nebenleistungen und Verspätungszuschläge in Höhe von insgesamt 85.850,70 EUR in Haftung. Die Inhaftungnahme wurde damit begründet, dass der Antragsteller als Geschäftsführer nicht dafür Sorge getragen habe, dass die Steuern bei Fälligkeit aus Mitteln der GmbH ordnungsgemäß entrichtet wurden.
Das dagegen gerichtete Einspruchsverfahren hatte keinen Erfolg, mit Entscheidung vom 28. September 2009 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.
Mit seiner dagegen eingelegten Klage trägt der Antragsteller im Wesentlichen vor, dass ihn das FA zu Unrecht in Haftung genommen habe. Seit 11. Februar 2009 stünden ihm aufgrund der Beschlagnahme durch die Steuerfahndung Bochum keinerlei Unterlagen der GmbH zur Verfügung. Er werde in der Wahrnehmung und Ausübung seiner Rechte behindert und könne daher zu den Prüfungsfeststellungen des FA nicht Stellung nehmen. Insbesondere habe das FA die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen in weit überzogener Höhe vorgenommen. Das FA habe auch nicht berücksichtigt, dass die GmbH ihr Gewerbe bereits mit Schreiben vom 30. Juni 2008 bei der Gemeinde abgemeldet habe und deswegen in den Monaten Juli und August 2008 keine Umsätze mehr erwirtschaftet habe.
Im gegenwärtigen Verfahren hat der Antragsteller mit derselben Begründung unter Vorlage einer Erklärung über seine wirtschaftlichen Verhältnisse beantragt, ihm Prozesskostenhilfe zu gewähren.
Das FA ist dem Antrag entgegengetreten, da keine hinreichende Aussicht auf Erfolg der Klage bestehe. Der Antragsteller sei zu Recht in Haftung genommen worden. Da für den Zeitraum 1-8/2008 von der GmbH keine Buchhaltungsunterlagen vorgelegt worden waren, habe die Prüferin die Voranmeldungszeiträume 4-8/2008 geschätzt. In den Haftungsbescheid sei jedoch nur die Umsatzsteuer bis einschließlich des Voranmeldungszeitraums Mai 2008 aufgenommen worden.
Der Einwand, dass der Antragsteller die Buchhaltungsunterlagen aufgrund der Beschlagnahme durch die Steuerfahndung nicht vorlegen habe können, greife nicht durch, weil die Umsatzsteuerprüfung zum Zeitpunkt der Beschlagnahme am 1. Februar 2009 bereits seit einem halben Jahr begonnen habe. Nachdem das Verfahren bei der Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes noch nicht abgeschlossen sei, könnten die Unterlagen nicht herausgegeben werden. Der Antragsteller habe jedoch die Möglichkeit, die Unterlagen bei der Steuerfahndung einzusehen, im Übrigen habe der Antragsteller auch dort seinen Wohnsitz.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sa...