Entscheidungsstichwort (Thema)

Einspruch gegen die Prüfungsanordnung bei Auftragsprüfung. Zuständigkeit für die Einspruchsentscheidung. Ermessen. keine Heilung nach § 127 AO bei unwirksamem Prüfungsauftrag

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Erlässt ein vom zuständigen Finanzamt mit der Durchführung einer Außenprüfung beauftragtes Finanzamt eine Prüfungsanordnung, so ist der Einspruch gegen die Anordnung der Außenprüfung bei diesem – dem beauftragten – Finanzamt einzulegen.

2. Das mit der Durchführung der Prüfung beauftragte Finanzamt ordnet die Außenprüfung „aufgrund gesetzlicher Vorschrift” im Sinne des § 367 Abs. 3 Satz 1 AO für das zuständige Finanzamt an. Zuständige Finanzbehörde für die Entscheidung über den Einspruch gegen die Prüfungsanordnung ist das beauftragende Finanzamt.

3. Die Beauftragung ist Ermessensentscheidung. Deshalb wird, wenn kein wirksamer Prüfungsauftrag vorliegt und ein unzuständiges Finanzamt prüft, der Fehler nicht nach § 127 AO geheilt.

 

Normenkette

AO § 195 S. 2, §§ 196, 357 Abs. 2, § 367 Abs. 3 S. 1, §§ 5, 127

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 18.11.2008; Aktenzeichen VIII R 18/07)

 

Tenor

1. Die Einspruchsentscheidung vom 21.06.2006 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Der Beklagte wurde vom Finanzamt mit der Durchführung einer Außenprüfung bei der Klägerin gemäß § 195 Satz 2 Abgabenordnung (AO) beauftragt und erließ am 14.11.2005 eine Prüfungsanordnung unter Hinweis auf die § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO. Die Anordnung erstreckte sich auf die Einkommensteuer (ESt) 1994 bis 2003 sowie auf die Vermögensteuer auf den 01.01.1994, 01.01.1995 und 01.01.1996.

Gegen die Prüfungsanordnung vom 14.11.2005 legte die Klägerin Einspruch ein.

Diesen Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 21.06.2006 als unbegründet zurück.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage. Sie hat zunächst weiterhin die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Prüfungsanordnung gerügt und die Beiziehung (auch) der Prüferhandakten beantragt. Auf den richterlichen Hinweis, der Beklagte sei für die Entscheidung über den Einspruch nicht zuständig gewesen, begehrt sie nun in erster Linie, die Einspruchsentscheidung isoliert aufzuheben.

Die Klägerin beantragt,

die Einspruchsentscheidung vom 21.06.2006 aufzuheben,

hilfsweise für den Fall, dass der Beklagte für den Erlass der Einspruchsentscheidung zuständig war, die Prüfungsanordnung vom 14.11.2005 sowie die Einspruchsentscheidung vom 21.06.2006 aufzuheben, wiederum hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Zur Ergänzung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf das Schreiben des Betriebsprüfers vom 01.02.2006 und die eingereichten Schriftsätze.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Klage ist begründet.

Der Beklagte war zum Erlass der Einspruchsentscheidung vom 21.06.2006 örtlich nicht zuständig. Die Einspruchsentscheidung ist daher isoliert aufzuheben, damit das zuständige Finanzamt gem. § 367 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 über den Einspruch der Klägerin gegen die Prüfungsanordnung des Beklagten vom 14.11.2005 entscheiden kann.

1. Die Klägerin hat ihren Einspruch zutreffend gegen den Beklagten gerichtet, weil dieser die Prüfungsanordnung vom 14.11.2005 erlassen hat (§ 357 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 AO 1977).

2. Der Beklagte war jedoch nicht für die Entscheidung über den bei ihm eingelegten Einspruch zuständig.

Gemäß § 367 Abs. 1 AO 1977 entscheidet zwar über den Einspruch grundsätzlich die Finanzbehörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Richtet sich der Einspruch indes gegen einen Verwaltungsakt, den eine Behörde auf Grund gesetzlicher Vorschrift für die zuständige Finanzbehörde erlassen hat, so entscheidet gem. § 367 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 die zuständige Finanzbehörde über den Einspruch. Das Merkmal „aufgrund gesetzlicher Vorschrift” ist allerdings auslegungsbedürftig. Es kann sowohl auf eine unmittelbare gesetzliche Ermächtigung beschränkt sein, als auch die im Ermessen der zuständigen Behörde liegende Beauftragung einer anderen Behörde, z.B. nach § 195 Abs. 2 AO 1977, mit umfassen (Beschluss des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 27.03.2006 VIII B 21/05, BFH/NV 2006, 1256).

2.1 Nach einer Auffassung ist die Beauftragung mit einer Außenprüfung gerade kein Fall des § 367 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 (bzw. des nach seinem Wortlaut und Sinn identischen § 63 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung – FGO –), weil das mit einer Außenprüfung beauftragte Finanzamt nicht unmittelbar aufgrund gesetzlicher Vorschrift, sondern erst aufgrund eines nach Ermessen des örtlich zuständigen Finanzamts erteilten Auftrags tätig wird (Urteil des Finanzgerichts München vom 29.07.2003 13 K 2190/99 [rechtskräftig durch Rücknahme der Revision], Entsch...

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