rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Schätzungsbefugnis trotz im Finanzgerichtsverfahren abgegebener Steuererklärungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Schätzungsbescheide waren aufgrund der im Klageverfahren eingereichten Steuererklärung nebst Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung nicht zu ändern. Nach dem Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs muss nach § 4 Abs. 1 EStG die Anfangsbilanz mit der Schlussbilanz des Vorjahres übereinstimmen (vgl. Heinicke, in Schmidt, EStG, § 4 EStG Rz. 700). Die Klägerin hat jedoch für das vorangegangene Wirtschaftsjahr 2011 keine Bilanz abgegeben und somit keine ausreichenden Angaben über ihre steuerlichen Verhältnisse gegeben (§ 162 Abs. 2 S. 1 AO). Aufgrund der fehlenden Mitwirkung der Klägerin konnte das FA die für das Streitjahr eingereichte Bilanz nicht überprüfen.
2. Gerade weil die Klägerin seit Jahren ihre Pflichten im Zusammenhang mit der Abgabe von Steuererklärungen nicht erfüllt hat, gab es im Streitfall hinreichend Anlass, die sachliche Richtigkeit der für das Jahr 2012 eingereichten Steuererklärungen zu beanstanden (§ 158 AO).
Normenkette
AO § 162 Abs. 2, § 158; KStG § 8 Abs. 2; EStG § 5 Abs. 1 S. 1; HGB § 6 Abs. 1, § 264; GmbHG § 13 Abs. 3
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft. Sie wurde mit Gesellschaftsvertrag vom gegründet und ist im Handelsregister des Amtsgerichts eingetragen. Gegenstand ihres Unternehmens ist der Handel mit Elektrogeräten sowie die Durchführung von Elektroinstallationen.
Die Besteuerungsgrundlagen für die Jahre 1994 sowie 2000 bis einschließlich 2012 wurden vom Finanzamt im Schätzungswege festgesetzt. Die Steuererklärungen für die Jahre 2003, 2005, 2006, 2010 und 2011 wurden von der Klägerin nicht eingereicht. Trotz Einspruchseinlegung gegen die Schätzungsbescheide 2003, 2004, 2008 und 2009 wurden im Rechtsbehelfsverfahren keine Steuererklärungen vorgelegt. Für die Jahre 2003 und 2004 wurden die Steuererklärungen erst im Klageverfahren nachgereicht. Trotz mehrmaliger Aufforderungen reichte die Klägerin auch für das Streitjahr 2012 weder Steuererklärungen noch die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung beim Finanzamt ein, so dass das Finanzamt mit Datum jeweils vom 18. Juli 2014 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Schätzungsbescheide zur Körperschaftsteuer, zur gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagekontos nach § 27 Abs. 2 Satz 1 Körperschaftsteuergesetz (KStG) und des Sonderausweises nach § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG zum 31. Dezember 2012 sowie zum Gewerbesteuermessbetrag 2012 erließ. Die Körperschaftsteuer wurde dabei auf 2.250 EUR und der Gewerbesteuermessetrag auf 525 EUR festgesetzt. Ein festzustellender verbleibender Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer sowie ein festzustellender vortragsfähiger Gewerbeverlust ergaben sich aufgrund der geschätzten Besteuerungsgrundlagen nicht.
Der dagegen eingelegte Einspruch wurde nicht begründet und mit Einspruchsentscheidung vom 29. Januar 2015 hinsichtlich der Bescheide zur gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer zum 31. Dezember 2012 und zur gesonderten Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2012 als unzulässig verworfen und im Übrigen als unbegründet zurückgewiesen. Gleichzeitig wurde der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben.
Die gegen die Einspruchsentscheidung gerichtete Klage wurde zunächst nicht begründet. Nach erfolgloser Aufforderung durch die Senatsgeschäftsstelle (Schreiben vom 5. März 2015) und Erinnerung vom 16. April 2015 wurde mit Anordnung vom 20. Mai 2015 (zugestellt am 22. Mai 2015) gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) eine Frist mit ausschließender Wirkung bis zum 19. Juni 2015 zur Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens gesetzt. Mit Eingang beim Finanzgericht am 18. Juni 2015 erklärte die Klägerin, dass sich auf Grund der zwischenzeitlich eingereichten Unterlagen im Gegensatz zu der bisher festgesetzten Steuer nur noch eine Körperschaftsteuer und ein Gewerbesteuermessbetrag von jeweils 0 EUR ergäbe.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
unter Änderung der Bescheide jeweils vom 18. Juli 2014 und der Einspruchsentscheidung vom 29. Januar 2015 die Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag jeweils auf 0 EUR festzusetzen.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Klägerin habe zwar für das Jahr 2012 eine Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuererklärung und den Jahresabschluss am 20. Juni 2015 beim Finanzamt eingereicht. Wegen des fehlenden Bilanzzusammenhangs und des nicht schlüssigen Eigenkapitals könne jedoch keine erklärungsgemäße Veranlagung erfolgen. Erklärungen zur gesonderten Feststellung des Einlagekontos und des Sonderausweises seien nicht eingereicht worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten sowie auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheid...