Entscheidungsstichwort (Thema)
Bilanzberichtigung in Hinblick auf eine erstmalige höchstrichterliche Rechtsprechung
Leitsatz (redaktionell)
Ist im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung noch keine Rechtsprechung zu einer Bilanzierungsfrage (hier: Rückstellungsbildung wegen künftiger Kosten der gesetzlich vorgeschriebenen Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen) ergangen, kann jede der kaufmännischen Sorgfalt entsprechende Bilanzierung als „richtig” angesehen werden, so dass eine Bilanzberichtigung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG ausscheidet, wenn später eine BFH-Entscheidung ergeht, die die Bilanzierungsfrage abweichend beurteilt (Anschluss an FG Köln, Urteil v. 21.3.2007, 13 K 4358/06, Az. des BFH: I R 40/07).
Normenkette
EStG § 4 Abs. 2 S. 1; KStG § 8 Abs. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist nur noch, ob die Klägerin Rückstellungen für zukünftige Kosten der Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen bilden kann.
Bei der Klägerin handelt es sich um ein Kreditinstitut in Form einer eingetragenen Genossenschaft. Die Klägerin erstellte für alle Streitjahre grundsätzlich ordnungsgemäße Handelsbilanzen und nahm Zu- und Abrechnungen gem. § 60 Abs. 2 EStDV vor. Sie wurde für die Streitjahre (1994 – 1996) zunächst jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung veranlagt. Eine Außenprüfung für die Streitjahre führte zu geänderten Bescheiden. Mit den Körperschaftsteueränderungsbescheiden für 1994 bis 1996 vom 16. Februar 2000 wurde jeweils auch der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben.
Gegen diese Änderungsbescheide legte die Klägerin am 3. März 2000 Einspruch ein. Mit Schreiben vom 8. September 2003 erweiterte die Klägerin ihren Einspruch für alle Streitjahre und machte, unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19. August 2002 VIII R 30/01 (BStBl II 2003, 131, BFH/NV 2002, 1662) geltend, es seien Rückstellungen für zukünftige Kosten der Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen zu bilden.
Mit der Einspruchsentscheidung vom 20. Juni 2005 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen:
- ○ Für die Verpflichtung zur Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen sei grundsätzlich in der Handelsbilanz und in der Steuerbilanz eine Rückstellung zu bilden.
- ○ Ein Bilanzansatz sei unrichtig, wenn er gegen zwingende Vorschriften des Handels- oder Steuerrechts oder die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung verstoße und der Steuerpflichtige diese Rechtsverletzung nach den Erkenntnismöglichkeiten eines ordentlichen Kaufmanns im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung – bezogen auf die am Bilanzstichtag objektiv bestehenden Verhältnisse – habe erkennen können. Demgemäß sei die Bilanz nicht fehlerhaft, wenn sich die Ansätze aus der im Zeitpunkt der Bilanzerstellung vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung ergebe; ändere der BFH im Anschluss hieran seine rechtliche Beurteilung, so werde der fortdauernde Bilanzausweis erst in der Bilanz unrichtig, in der erstmals eine Korrektur hätte erfolgen können.
- ○ Nach einer Verfügung der OFD München/Nürnberg vom 1. April 2005 könne eine geänderte Verwaltungsauffassung zu einer bestimmter Rechtsfrage nach Ergehen einer erstmaligen Entscheidung des BFH frühestens in der ersten nach dem Datum der Entscheidung des BFH aufzustellenden Bilanz berücksichtigt werden. Auch bestehe die Möglichkeit einer Bilanzberichtigung rückwirkend bis zur ersten nach dem Entscheidungsdatum aufgestellten Bilanz. Darüber hinaus komme eine rückwirkende Berichtigung von Bilanzen, die einer nach den AO-Vorschriften noch änderbaren Veranlagung zugrunde liegen, nicht in Betracht.
- ○ Danach seien Bilanzberichtigungen bei Rückstellungen für die Verpflichtung zur Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen bei einer Bilanzaufstellung vor dem 19. August 2002 nicht möglich.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit folgender Begründung:
- ○ Der BFH habe bereits vor dem Urteil vom 19. August 2002 entschieden unter welchen Voraussetzungen Rückstellungen für öffentlich-rechtliche Verpflichtungen zu bilden seien. Die ausdrückliche Anerkennung der Rückstellungen für die Verpflichtung zur Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen könne daher weder als Änderung der Rechtsprechung, noch als „erstmalige” Entscheidung des BFH angesehen werden.
- ○ Durch die Nichtberücksichtigung dieser Rückstellungen seien die Bilanzen objektiv fehlerhaft gewesen. Eine Berichtung sei nach den Grundsätzen des fehlerhaften Bilanzansatzes in der ersten noch offenen Schlussbilanz möglich. Dies seien im Streitfall die Jahre 1994 – 1996.
- ○ Es liege auch kein subjektiv richtiger Bilanzansatz vor, ein Irrtum über einen Sachverhalt sei nicht gegeben.
○ Die Verfügung der OFD München/Nürnberg vom 1. April 2005 gehe von falschen Voraussetzungen aus.
Es liege keine Änderung der Verwaltungsauffassung vor, denn sie habe auch vor Ergehen des Urteils des BFH der Bildung einer Rückstellung nicht entgegengestanden. Eine Zustimmung zur Bilanzberichtigung durch das FA sei nicht erforderlich. Für eine Bilanzberichtig...