Entscheidungsstichwort (Thema)
Dreijährige Anlaufhemmung für Verlustfeststellung. Abzugsbeschränkung für Erstausbildungskosten ist verfassungsgemäß. Erstausbildung. Verlustvortrag. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Anders als bei Antragsveranlagungen, für welche die dreijährige Anlaufhemmung gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO nicht gilt, liegt der Verlustfeststellung eine Pflichterklärung zu Grunde. Damit sind Verlustfeststellungsanträge ohne zwischenzeitliche Einkommensteuerveranlagungen anders als „freiwillige” Anträge auf Einkommensteuerveranlagung sieben Jahre nachholbar.
2. Die durch das BeitrRLUmsG eingeführten Regelungen in § 9 Abs. 6, § 12 Nr. 5 EStG zum Abzug von Aufwendungen für eine Erstausbildung und ihre Anwendung nach § 52 Abs. 23d Satz 5 und Abs. 30a EStG ab dem Veranlagungszeitraum 2004 verstoßen weder gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot noch gegen das objektive Nettoprinzip.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 6, § 12 Nr. 5, § 10 Abs. 1 Nr. 7, §§ 10d, 52 Abs. 23d S. 5, Abs. 30a; AO §§ 169, 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 19.12.2014; Aktenzeichen IX R 34/14) |
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Der Kläger absolvierte in den Streitjahren 2005 und 2006 eine Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer bei der …-Verkehrsfliegerschule ….
Im Rahmen seiner am …. September 2011 eingereichten Erklärungen zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zum 31.12.2005 und 31.12.2006 machte der Kläger Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit für diese Ausbildung im Jahr 2005 in Höhe von … EUR und im Jahr 2006 in Höhe von … EUR (2006: verbleibender Verlust somit insgesamt … EUR) geltend.
Die Anträge wurden mit Bescheid vom …. Januar 2012 abgelehnt. Der hiergegen erhobene Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom …. Februar 2012). Der Beklagte (Finanzamt) war der Ansicht, aufgrund der gesetzlichen Neuregelungen im Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BeitrRLUmsG) habe der Gesetzgeber auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) reagiert und in § 4 Abs. 9, § 9 Abs. 6 und § 12 Nr. 5 Einkommensteuergesetz (EStG) klarstellend geregelt, dass auch künftig Aufwendungen für die erstmalige Berufsausbildung oder ein Erststudium, das zugleich eine Erstausbildung vermittelt, nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden können. Die gesetzlichen Neuregelungen seien für die Veranlagungszeiträume ab 2004 anzuwenden (§ 52 Abs. 12 letzter Satz, Abs. 23d letzter Satz und Abs. 30a EStG). Die Aufwendungen des Klägers seien deshalb nicht als vorab entstandene Werbungskosten, sondern nur begrenzt als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG abziehbar. Dies habe zur Folge, dass keine vortragsfähigen Verluste anzuerkennen seien.
Die hiergegen erhobene Klage begründet der Kläger im Wesentlichen wie folgt:
Durch das BeitrRLUmsG werde die aktuelle Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, wonach der Werbungskostenabzug bezüglich der Aufwendungen für eine Erstausbildung befürwortet werde, abgelehnt. Das Gesetz beinhalte nach Auffassung des Klägers eine verfassungswidrige Rückwirkung von sieben Jahren und sei daher nicht anzuwenden. Die Verfassungskonformität werde in Zweifel gezogen. Dahingehend seien bereits mehrere Verfahren vor dem Bundesfinanzhof anhängig. Einem Ruhen des Verfahrens werde im Hinblick darauf, dass der Kläger seinen Anspruch, auf welchen er seit Jahren vertraue, individuell mit eigenen Argumenten weiterverfolgen möchte, nicht zugestimmt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom …. Januar 2012 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom …. Februar 2012 das Finanzamt zu verpflichten, den verbleibenden Verlustvortrag zur Einkommensteuer auf den 31.12.2005 auf … EUR und zum 31.12.2006 auf … EUR festzustellen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Das Finanzamt beantragt
Klageabweisung
und verweist zur Begründung im Wesentlichen auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung. Ergänzend wird auf die Stellungnahme vom …. April 2012 verwiesen.
Auf den Akteninhalt und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen.
Es erscheint sachgerecht, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden (§ 90 a Abs. 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –).
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage ist unbegründet.
Der Bescheid über die Ablehnung des Antrags auf Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags gemäß § 10d EStG auf den 31.12.2005 und auf den 31.12.2006 vom 02. Januar 2012 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Entgegen der im Schriftsatz vom …. April 2012 dargelegten Auffassung des Finanzamts waren die Anträge auf Feststellung der vortragsfähigen Verluste im September 2011 rechtzeitig gestellt worden. Weder zum Zeitpunkt der Antragstellung noch zum Zeitpunkt der Ablehnung des Antrags am …. Januar 20...