Entscheidungsstichwort (Thema)

Umqualifizierung von Veräußerungsgewinn in laufenden Gewinn nach Änderung eines Gewinnfeststellungsbescheids durch rechtskräftiges FG-Urteil

 

Leitsatz (redaktionell)

Hat das FG eine Teilbetriebsaufgabe verneint und den Gewinnfeststellungsbescheid für eine Personengesellschaft hinsichtlich des darin festgestellten Aufgabegewinns rechtskräftig aufgehoben, dann ist als Folge davon das FA nach § 174 Abs. 4 AO 1977 zu einer Änderung des bestandskräftigen Gewinnfeststellungsbescheids insoweit berechtigt, als nunmehr ein bisher zu Unrecht als Aufgabegewinn behandelter Teil des Gewinns als laufender Gewinn zu behandeln ist.

 

Normenkette

AO 1977 § 174 Abs. 4 Sätze 1-2; EStG § 16 Abs. 1

 

Gründe

I.

Streitig ist, ob die Voraussetzungen einer Bescheidänderung nach § 174 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO) vorliegen.

Die Klägerin, eine OHG, meldete bei der zuständigen Gemeinde zum 1. Januar 1975 ein Gewerbe „Kunstmühle und Transportunternehmen” an. Die Getreidemühle stellte sie zum 1. Januar 1980 ein. In den Kalenderjahren 1980 und 1981 veräußerte sie die Restbestände an Mehlerzeugnissen, die zum Zeitpunkt der Produktionseinstellung noch vorhanden waren.

Am 4. November 1982 meldete die Klägerin den Betrieb „Getreidemühle” bei der Gemeinde rückwirkend zum 1. Januar 1980 ab. Zum 1. April 1983 meldete die Klägerin bei der Gemeinde das Gewerbe „Baustoffhandel” an. Sämtliche Gewerbezweige wurden auf einem Grundstück betrieben, das einem der beiden Gesellschafter der Klägerin gehörte und in einer Ergänzungsbilanz als Betriebsvermögen bilanziert war. Das auf dem Grundstück stehende Gebäude diente zur Hälfte dem Mühlenbetrieb. Es wurde im Jahre 1985 für das Streitjahr 1983 als Abgang verbucht.

Im Mai 1983 wurde das Mühlengebäude einschließlich der Einrichtung durch einen Brand beschädigt. Die Einrichtungsgegenstände (Buchwert 9 DM) wurden nahezu vollständig zerstört. Die Versicherungsentschädigung für die Mühleneinrichtung betrug 79.614 DM. Nach Reparatur der Gebäudeschäden wurde die eine Hälfte des Gebäudes weiterhin für das Fuhrunternehmen genutzt.

Für das Streitjahr stellte der Beklagte (das Finanzamt -FA-) im Bescheid vom 5. Juni 1985 zunächst den Gewinn entsprechend der Erklärung mit 52.664 DM fest. Diesen Bescheid änderte das FA am 6. Dezember 1985 nach § 164 Abs. 2 AO. Im Änderungsbescheid setzte es die laufenden Gewinneinkünfte auf 51.898 DM herab. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen. Im Rahmen der Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung stellte das FA im Änderungsbescheid vom 10. August 1987 die Einkünfte auf 186.503 DM fest. Darin war ein laufender Gewinn von 51.898 DM und ein steuerbegünstigter Veräußerungsgewinn von 134.605 DM (einschließlich der Versicherungsentschädigung von 79.614 DM) enthalten.

Mit Urteil vom 19. Oktober 1993 – 13 K 13296/87 (s. FG-Akte 13 K 13296/87, Bl. 81 b – 81 f) wies der erkennende Senat die Klage, mit der die Klägerin beantragt hatte, den Aufgabegewinn im Jahre 1982 zu erfassen, ab.

Der gegen den Feststellungsbescheid 1983 vom 10. August 1987 erhobene Einspruch blieb ebenfalls erfolglos (Einspruchsentscheidung -EE- vom 29. Oktober 1987).

Die Klage hatte aber Erfolg (Urteil vom 16. November 1993 – 13 K 3517/93, Bl. 92 – 101 a.a.O.). Das FG kam zum Ergebnis, daß ein Aufgabegewinn nicht zu versteuern sei, weil die Klägerin in 1983 keinen Teilbetrieb aufgegeben habe. Es wies jedoch darauf hin, daß der Feststellungsbescheid 1983 hinsichtlich der Versicherungsentschädigung geändert werden könne, da der laufende Gewinn nicht Streitgegenstand des Verfahrens gewesen sei (Abschnitt II 4, 5 der Gründe).

Das FA erließ daraufhin einen gem. § 174 Abs. 4 AO geänderten Feststellungsbescheid 1983 vom 28. Oktober 1994, in welchem der laufende Gewinn einschließlich der Versicherungsentschädigung auf 131.207 DM festgesetzt wurde. Der dagegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos (EE vom 31. März 1995, Bl. 62 – 70 Fest-Akte 1983).

Mit ihrer Klage trägt die Klägerin im wesentlichen vor: Die Gewinnfeststellung 1983 hätte nicht nach § 174 Abs. 4 AO geändert werden dürfen. Es sei dem FA grundsätzlich verwehrt, einen bereits durch Gerichtsentscheidung modifizierten Steuerbescheid nochmals zu ändern, wenn durch gerichtliche Entscheidung die Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts durch einen Verwaltungsakt rechtskräftig abgeschlossen sei. Im Streitjahr habe das FG durch das Urteil vom 16. November 1993 – 13 K 3517/93 – die Beurteilung des Lebensvorgangs Brand und Brandentschädigung dadurch rechtskräftig abgeschlossen, daß es das Vorliegen eines Aufgabegewinns verneint habe. Es sei dem FA nicht gestattet, aus diesem Sachverhalt „ergänzende” Rechtsfolgen zu ziehen und diese zur Grundlage einer nochmaligen Änderung des rechtskräftig gewordenen Bescheids zu machen. Die zur Frage der gesonderten Anfechtung von Feststellungsbescheiden ergangene Rechtsprechung führe zu keinem anderen Ergebnis, denn es komme entscheidend darauf an, daß vorliegend über einen bestimmten Sachverhalt bereits rechtskräftig en...

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