rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Erstattungszinsen bei Aufhebung von Anfang an unrichtiger Umsatzsteuerfestsetzungen gegenüber einem Bauträger. Beginn des Zinslaufs 15 Monate nach Ablauf des Veranlagungszeitraums

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine geänderte Steuerfestsetzung, aus der ein zu verzinsender Steuererstattungsanspruch allein deshalb resultiert, weil der Steuerpflichtige (Bauträger) die ursprünglich angemeldete und entsprechend festgesetzte Umsatzsteuer hinsichtlich der bezogenen Bauleistungen nicht nach § 13b UStG schuldet, beruht nicht auf einem rückwirkenden Ereignis.

2. Weder der Antrag auf gesetzeskonforme Steuerfestsetzung noch die aufgrund des BFH-Urteils vom 22.8.2013 (V R 37/10, BStBl 2014 II S. 128) geänderte Auslegung des § 13b UStG sind rückwirkende Ereignisse.

3. Das Begehren auf Reduzierung der Steuer um die zu Unrecht gemäß § 13b UStG festgesetzte Umsatzsteuer stellt kein treuwidriges Verhalten des Bauträgers gegenüber dem FA dar. Er ist deshalb auch nicht – bis zur erklärten Aufrechnung – an der Geltendmachung und Durchsetzung seines Erstattungsanspruchs gegen das FA aufgrund des Grundsatzes von Treu und Glauben gehindert.

4. Dem regulären Zinslauf stehen weder möglicherweise tatsächlich nicht eingetretene Liquiditätsnach- bzw. -vorteile, das Verhalten des Klägers noch das Unionsrecht entgegen.

 

Normenkette

UStG §§ 13b, 27 Abs. 19 S. 1; AO § 233a Abs. 1, 2a, 3, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2

 

Tenor

1. Der Beklagte wird verpflichtet, für die mit Bescheiden vom 22. Dezember 2016 jeweils berechneten Umsatzsteuererstattungen Zinsen für 2010 i.H.v. 9.394 EUR, für 2011 i.H.v. 50.600 EUR, für 2012 i.H.v. 43.896 EUR, für 2013 i.H.v. 21.295 EUR und für 2014 i.H.v. 328 EUR festzusetzen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob einem Bauträger für zunächst zu Unrecht festgesetzte und gezahlte Umsatzsteuer Erstattungszinsen zustehen.

Der Kläger ist Organträger einer GmbH, die in den Jahren 2010 bis 2014 von im Inland ansässigen Unternehmen Bauleistungen u.a. für die Errichtung von Gebäuden auf eigenen Grundstücken bezog.

Der Kläger unterwarf die von ihm bezogenen Bauleistungen gemäß § 13b des Umsatzsteuergesetzes in der in den Streitjahren gültigen Fassung (UStG) der Umsatzsteuer und zahlte die errechneten Steuerbeträge.

Er folgte dabei der damaligen Verwaltungsauffassung (Abschn. 182a Abs. 11 UStR 2008 bzw. Abschn. 13b.1 Abs. 11 UStAE 2010), nach der Unternehmer, die eigene Grundstücke zum Zweck des Verkaufs bebauen (z.B. Bauträger), nur dann nicht nach § 13b UStG als Steuerschuldner für die von anderen Unternehmern an sie erbrachten Bauleistungen anzusehen waren, wenn sie ausschließlich Grundstücksgeschäfte tätigten, bei denen es sich nicht um Werklieferungen handelte (vgl. für die Streitjahre: Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen –BMF– vom 16. Oktober 2009, unter Ziff. 7). Hierzu zählte der Kläger nicht.

Im Anschluss an das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22. August 2013 V R 37/10 (BStBl II 2014, 128), nach dem § 13b Abs. 5 Satz 2 UStG (bis zum 30. Juni 2010: § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG) einschränkend dahingehend auszulegen ist, dass es für die Verlagerung der Steuerschuld darauf ankommt, ob der Leistungsempfänger die an ihn erbrachte Werklieferung oder sonstige Leistung, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dient, seinerseits zur Erbringung einer derartigen Leistung verwendet, berichtigte der Kläger seine Umsatzsteuererklärungen. Danach ergaben sich Umsatzsteuererstattungen aufgrund des Wegfalls der Steuerschuldnerschaft des Klägers nach § 13b UStG, die der Kläger mit Schreiben vom 1. April 2014 beantragte.

Gemäß geänderter Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre vom 22. Dezember 2016, die Gegenstand eines laufenden Rechtsbehelfsverfahren sind, ergaben sich Umsatzsteuererstattungsbeträge für 2010 i.H.v. 33.550,54 EUR, für 2011 i.H.v. 230.024,56 EUR, für 2012 i.H.v. 274.367,37 Euro, für 2013 i.H.v. 212.973,10 EUR und für 2014 i.H.v. 8.225,43 EUR. Eine Festsetzung von Erstattungszinsen unterblieb.

Nachdem einige der Bauleistenden berichtigte Rechnungen erstellt hatten und ihre Forderungen hieraus an den Beklagten (das Finanzamt – FA –) abgetreten hatten, erklärte das FA gegenüber dem Kläger und dessen Erstattungsansprüchen mit Bescheiden gleichfalls vom 22. Dezember 2016 teilweise die Aufrechnung (vgl. Bl. 105 ff FG-Akte, sowie Anlage zu den Umsatzsteuerbescheiden vom 22. Dezember 2016, Bl. 19 f Rechtsbehelfsakte).

Die vom Kläger beantragte Festsetzung von Erstattungszinsen wurde vom FA mit Bescheid vom 19. Januar 2017 mit der Begründung abgelehnt, dass die vom Bauträger und Bauleistenden übereinstimmend angenommene Steuerschuld des Bauträgers aufgrund Treu und Glauben erst in dem Zeitpunkt entfalle, in dem der Bauträger den Steuerbetrag an den Leistenden bezahle. Insofern sei für die Berechnung des Zinslaufs etwaiger Erstattungszinsen auf den Zeitpunkt der...

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