Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag auf schlichte Änderung nach Ergehen einer Einspruchsentscheidung. Zweck eines Antrags auf schlichte Änderung
Leitsatz (redaktionell)
1. Hat der Steuerpflichtige nach Ergehen einer Einspruchsentscheidung nicht Anfechtungsklage erhoben, sondern schlichte Änderung des Einkommensteuerbescheids nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO beantragt, und wird dieser Antrag durch eine weitere Einspruchsentscheidung abgelehnt, so ist die gegen diese zweite Einspruchsentscheidung mit dem Ziel erhobene Klage, durch isolierte Aufhebung der Einspruchsentscheidung das Verfahren über den Antrag auf schlichte Änderung offen zu halten und das Einspruchsverfahren gegen die Festsetzung der Einkommensteuer ruhen zu lassen, mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.
2. Der vom Gesetzgeber zugelassene Antrag auf schlichte Änderung soll nicht dazu dienen, das Besteuerungsverfahren nach Ergehen einer Einspruchsentscheidung beliebig punktuell offen zu halten.
Normenkette
AO § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 363 Abs. 3, § 366; FGO § 40 Abs. 2
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Die Kläger werden vom Beklagten – dem Finanzamt (FA) – für das Streitjahr 2004 zur Einkommensteuer (ESt) zusammen veranlagt.
Das FA erließ am 02.02.2006 einen ESt-Bescheid für das Streitjahr. Hiergegen legten die Kläger mit Schreiben vom 22.02.2006 Einspruch ein, den sie mit nicht mehr streitigen Einwänden begründeten. Darüber hinaus bemängelten Sie den Umfang des Vorläufigkeitsvermerks betreffend den Vorwegabzug bei § 10 Einkommensteuergesetz, sowie den Abzug von Rentenversicherungsbeiträgen als vorweggenommene Werbungskosten und schließlich den Solidaritätszuschlag.
Das FA erließ am 14.03.2006 einen nach § 129 Abgabenordnung (AO) geänderten Bescheid, mit dem es den übrigen Einwänden abhalf, nicht aber dem den Vorläufigkeitsvermerk betreffenden. Insoweit hielten die Kläger ihren Einspruch aufrecht.
Nachdem das FA einige der die Vorläufigkeiten betreffenden Streitfragen durch Entscheidungen des BFH für geklärt hielt, die Kläger ihren Einspruch jedoch weiter aufrecht erhielten, wies es durch Einspruchsentscheidung (EE) vom 29.04.2010 den Einspruch als unbegründet zurück. Die EE versah es mit einem modifizierten Vorläufigkeitsvermerk.
Mit Schreiben vom 20.05.2010 beantragten die Kläger „Änderung des ESt-Bescheides 2004 vom 02.02.2006 in Gestalt der EE vom 29.04.2010 gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a, Satz 2 AO” unter Berufung auf ein beim BVerfG anhäniges Verfahren zur Frage der Vorläufigkeitsvermerke und ein weiteres beim BFH anhängiges Verfahren.
Diesen Antrag lehnte das FA mit einem mit einer Rechtbehelfsbelehrung versehenen Schreiben vom 25.05.2010 ab und erließ am 07.06.2010 einen nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geänderten ESt-Bescheid für das Streitjahr. Der darin enthaltene Vorläufigkeitsvermerk erfasst einen Katalog von Rechtsfragen hinsichtlich derer die Steuerfestsetzung vorläufig ist, und zwar für die Frage der Vereinbarkeit der entsprechenden Normen mit einfachem wie höherrangigen Recht.
Am 16.06.2010 erhoben die Kläger wiederum wegen des Vorläufigkeitsvermerks Einspruch gegen den geänderten ESt-Bescheid vom 07.06.2010 und am 22.06.2010 nunmehr nicht näher begründeten Einspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 25.05.2010, den das FA mit EE vom 02.07.2010 als unbegründet zurückwies.
Am 04.08.2010 erhoben die Kläger Klage zum Finanzgericht München.
Die Kläger beantragen,
die EE vom 02.07.2010 aufzuheben und das Einspruchsverfahren gegen die Festsetzung der ESt 2004 ruhen zu lassen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Auf die Frage der Kläger zum Verfahrensstand teilte das FA mit Schreiben vom 07.10.2010 mit, dass der ESt-Bescheid 2004 hinsichtlich des BFH-Verfahrens X R 15/09 bereits vorläufig sei und hinsichtlich des BFH-Verfahrens III R 39/08 im Einspruchsverfahren über den geänderten ESt-Bescheid vom 07.06.2010 dieses Einspruchsverfahren nach § 363 AO ruhe.
Weitere Rückäußerung der Kläger hierzu und auch auf den Hinweis des Gerichts vom 13.05.2013 erfolgte nicht mehr.
Wegen des Wortlauts der Vorläufigkeitsvermerke und der Einspruchsbegründungen im Einzelnen wird auf die ESt-Akte verwiesen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage ist unzulässig.
a) Die Kläger haben am 04.08.2010 Klage erhoben, mit dem Antrag, die Einspruchsentscheidung vom 02.07.2010 aufzuheben und das Einspruchsverfahren gegen die Festsetzung der Einkommensteuer 2004 ruhen zu lassen. Der Antrag ist somit ausdrücklich auf die isolierte Aufhebung der Einspruchsentscheidung gerichtet.
Eine solche Anfechtungsklage ist mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig.
Denn mit der Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 02.07.2010 können die Kläger ihr offensichtliches Ziel, das Einspruchsverfahren gegen die Festsetzung der Einkommensteuer 2004 wieder zu eröffnen, nicht erreichen. Das nämliche (Anfechtungs-)Einspruchsverfahren fand tatsächlich bereits mit der Einspruchsentscheidung vom 29.04.2010 seinen endgültigen Abschluss und...