rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer 1992
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Der Kl machte in der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (1992) u.a. Aufwendungen in Höhe von 29.103 DM für die Nachentrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen zugunsten seiner Mutter geltend. Hierzu gab er an, seine Mutter, die seit Jahren von Sozialhilfe lebe, hätte ohne die Nachentrichtung nur eine sehr geringe Rente gehabt.
Der Beklagte (das Finanzamt – FA–) lehnte die Berücksichtigung der Aufwendungen ab. Der Einspruch hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 2.1.1995).
Zur Begründung der anschließend erhobenen Klage wird vorgetragen, der Kl sei aus sittlichen Gründen zur Nachentrichtung verpflichtet gewesen, weil die Mutter seit der Geburt ihrer Kinder keiner Erwerbstätigkeit habe nachgehen könne und ihre eigene Rente deshalb nur ca. 350 DM betragen hätte. Im Streitjahr habe sich die einmalige und zeitlich begrenzte Möglichkeit geboten, eine ausreichende Altersversorgung zu schaffen.
Der Kl beantragt,
den Einkommensteuerbescheid 1992 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 2.1.1995 und der Einspruchsentscheidung vom 2.2.1995 dahingehend zu ändern, daß nachentrichtete Rentenversicherungsbeiträge von 29.103 DM als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage ist unbegründet.
Nach § 33 Abs. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind zwangsläufig entstandene Aufwendungen unter den gesetzlich näher bestimmten Voraussetzungen als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Tatbestandsvoraussetzung ist u.a., daß der Steuerpflichtige sich den Aufwendungen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
Aus rechtlichen Gründen war der Kl nicht zur Nachentrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen verpflichtet. Es kann offenbleiben, ob der Kl im Streitjahr seiner Mutter gegenüber unterhaltsverpflichtet war. Die Nachentrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen ging jedenfalls über eine etwaige Unterhaltspflicht hinaus (vgl. § 1612 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches). Tatsächliche Gründe (unabwendbares Ereignis) lagen nicht vor.
Auch eine Verpflichtung aus sittlichen Gründen kommt nicht in Betracht. Eine sittliche Pflicht ist nur dann zu bejahen, wenn sie so unabwendbar auftritt, daß sie – ähnlich einer Rechtspflicht – von außen her als eine Forderung oder zumindest Erwartung der Gesellschaft derart auf den Steuerpflichtigen einwirkt, daß ihre Erfüllung als eine selbstverständliche Handlung erwartet und die Mißachtung dieser Erwartung als moralisch anstößig empfunden wird (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 24.7.1987 III R 208/82, BFHE 150, 351, BStBl II 1987, 75). Die Nachentrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen zugunsten eines unterhaltsberechtigten Verwandten ist demgegenüber nicht als Handlung zu beurteilen, die von der Mehrzahl aller billig und gerecht Denkenden als selbstverständlich erwartet wird (i.E. ebenso FG Berlin vom 17.5.1984 IV-727/82, EFG 1985, 127). Dies gilt im Streitfall um so mehr, als für die Erhöhung der Rentenanwartschaft ein Betrag von 29.103 DM notwendig war, annähernd die Hälfte des Bruttojahreseinkommens des Kl. Das Unterlassen einer Zuwendung in dieser Größenordnung ist nicht als moralisch anstößig zu beurteilen.
In dem vom Kl zitierten Urteil des FG Hamburg vom 2.2.1976 III-73/75, (EFG 1976, 234), in dem eine sittliche Verpflichtung zur Nachentrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen zugunsten der Mutter des Steuerpflichtigen bejaht wurde, spielte die Frage der moralischen Anstößigkeit keine Rolle; nach früherer BFH-Rechtsprechung war dies kein Kriterium, im Gegensatz zur jetzigen Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt. Aus diesem Grund kommt auch nicht der Abzug nach § 33 EStG im Rahmen der Höchstbeträge nach § 33 a EStG in Betracht (so noch FG Nürnberg vom 31.5.1979 IV (III) 327/78, EFG 1979, 549).
Die BFH-Entscheidung VI R 19/73, die der Kl im Schreiben an das FA vom 17.8.1994 genannt hat, betrifft nicht die im Streitfall zu beurteilende Rechtsfrage.
Auch nach § 33a EStG können die Aufwendungen nicht (z.T.) abgezogen werden. Der Begriff des Unterhalts in § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG umfaßt nur die typischen Unterhaltsaufwendungen, d.h. die üblichen für den laufenden Lebensunterhalt des Empfängers bestimmten Leistungen (BFH-Urteil vom 22.7.1988 III R 253/83, BFHE 154, 111, BStBl II 1988, 80). Hierzu zählt die streitige Nachzahlung nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung.
Fundstellen
Haufe-Index 1101493 |
NWB-DokSt 1999, 374 |