Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschlußfrist zur Bezeichung des Gegenstandes des Klagebegehrens. Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Leitsatz (redaktionell)
1. Geht erst kurz nach Ablauf der vom FG gesetzten Ausschlußfrist nach § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO die Klagebegründung bei Gericht ein, so ist allein die Kürze der Fristüberschreitung kein Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
2. Zwar darf die in der Anordnung nach § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO bestimmte Frist bis zu ihrem Ende genutzt werden. Wer jedoch die Überbringung der Klagebegründung so lange hinauszögert, dass es nur bei optimalen Verkehrsverhältnissen die Frist einhalten kann, muss es sich als Verschulden anrechnen lassen, wenn er die Frist nicht einhalten kann, weil unterwegs Verkehrshindernisse eintreten, da mit verkehrsbedingten Verzögerungen immer gerechnet werden muss.
Normenkette
FGO § 65 Abs. 2 S. 2, § 56 Abs. 1; ZPO § 418 Abs. 1-2
Tatbestand
I.
Die Besteuerungsgrundlagen des Klägers wurden vom Finanzamt für 1996 geschätzt, weil dieser seiner Verpflichtung zur Abgabe der Steuererklärung nicht nachgekommen ist. Der Kläger erhob gegen den Einkommensteuerschätzungsbescheid für 1996 vom 19.05.1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.04.1999 Klage, ohne sie zu begründen. Eine Begründung sollte nachgereicht werden.
Nach erfolgloser Aufforderung durch die Senatsgeschäftsstelle (Schreiben vom 01.06.1999 und Erinnerung vom 17.08.1999) wurde mit Anordnung vom 24.09.1999 (zugestellt am 05.10.1999) gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) ein Frist mit ausschließender Wirkung bis zum 25.10.1999 zur Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens gesetzt. Am 26.10.1999 wurde dem Nachtbriefkasten des Finanzgerichts ein Schreiben des Klägers mit Datum vom 24.10.1999 nebst einer als Anlage beigefügten, vom Kläger selbst gefertigten Einkommensteuerberechnung für 1996 entnommen. Die Unterlagen wurden gemäß dem auf dem Schreiben des Klägers befindlichen Eingangsstempel des Finanzgerichts dem Behältnis für nach 0 Uhr eingegangene Post entnommen. Nach Hinweis auf den verspäteten Eingang der Klagebegründung durch das Finanzgericht am 28.10.1999 beantragte der Kläger mit Schreiben vom 05.11.1999, auf das hinsichtlich der Einzelheiten Bezug genommen wird, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Am 21.03.2001 erließ das Finanzamt einen geänderten Einkommensteuerbescheid 1996, mit dem die vom Kläger geltend gemachten Ausgaben nur teilweise steuerlich berücksichtigt wurden. Auf weitere Anfragen des Finanzgerichts antwortete der Kläger nicht mehr.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage ist unzulässig.
1. Nach § 65 Abs. 1 FGO muß die Klage unter anderem den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Das Ziel der Klage muß hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht werden (vgl. BFH-Beschluß vom 26. November 1979 GrS 1/78, Bundessteuerblatt – BStBl – II 1980, 99; BFH-Urteil vom 8. Juli 1998 I R 23/97, BStBl II 1998, 628).
Dieser Voraussetzung genügt die Klage im Streitfall nicht. Es wird nicht dargelegt, inwieweit der angefochtene Bescheid rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt. Das Gericht ist nicht in die Lage versetzt, das Klageziel und die Grenzen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis zu bestimmen.
Nach Ablauf der gemäß § 65 Abs. 2 FGO gesetzten Frist mit ausschließender Wirkung kann die Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens nicht mehr mit der Folge nachgeholt werden, daß die Klage zulässig wird. Hierauf wurde bereits in der Anordnung vom 24.09.1999 hingewiesen. Laut Eingangsstempel des Gerichts ist das Schreiben des Klägers vom 24.10.1999 erst am 26.10.1999 in den Nachtbriefkasten des Finanzgerichts und damit verspätet eingeworfen worden. Der Eingangsstempel einer Behörde oder eines Gerichts stellt nach ständiger Rechtsprechung eine öffentliche Urkunde i.S.v. § 418 Abs. 1 ZPO dar und begründet den vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen. Der nach § 418 Abs. 2 ZPO zulässige Gegenbeweis der Unrichtigkeit einer öffentlichen Urkunde erfordert den vollen Nachweis eines anderen Geschehensablaufes. Bloße Zweifel an der Richtigkeit der urkundlichen Feststellungen genügen nicht, vielmehr muss zur Überzeugung des Gerichts jede Möglichkeit ihrer Richtigkeit ausgeschlossen sein (vgl. BFH-Urteil vom 7. Juli 1998 VIII R 83/96, BFH/NV 1999, 475). Der Kläger hat keine substantiierten Nachweise der Unrichtigkeit des Eingangsstempels erbracht. Vielmehr hält er es gemäß seinem Schreiben vom 5.11.1999 für möglich, dass er „um Sekunden zu spät” gewesen sei.
2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist abzulehnen, denn der Kläger war nicht „ohne Verschulden verhindert”, die Frist einzuhalten (§ 65 Abs. 2 S. 3 i.V.m § 56 Abs. 1 FGO). Kein Wiedereinsetzungsgrund ist insbesondere allein die Kürze der Fristüberschreitung (BFH-Beschluss vom 17. November 1970 II R 121/70, BStBl II 1971,143). Auch die anderen vom Kläger im Schreiben vom 05.11.1999 vorgebrachten Gründe, warum die Klagebegründung verspätet eingegangen ist, rech...