Entscheidungsstichwort (Thema)
Treu und Glauben bei KraftSt-Änderung nach § 713 Abs 1 Nr 1 AO
Leitsatz (redaktionell)
KraftSt-Bescheide, die gegenüber dem Halter erstmals nach dem 1. Halbjahr 1996 ergangen sind, können nicht mehr später nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO wegen fehlerhafter Einstufung des Kraftfahrzeugs als Lkw statt als Pkw rückwirkend geändert werden. Treu und Glauben stehen dem entgegen.
Normenkette
AO § 173 Abs. 1 Nr. 2 S. 1; KraftStG § 8
Nachgehend
Gründe
I.
Der Kläger hat am 10.10.1996 ein Fahrzeug, Hersteller Nissan, Typ MD 21, als Lkw offener Kasten (zulässiges Gesamtgewicht 2.740 kg mit dem amtlichen Kennzeichen ... 8) zum Verkehr zugelassen.
Aufgrund der von der Zulassungsstelle im Datenträgeraustausch an den Beklagten, das Finanzamt (FA), übermittelten Daten erging am 28.10.1996 programmgesteuert ein Kraftfahrzeugsteuerbescheid, in dem das Fahrzeug ab dem 10.10.1996 als Lkw nach dem verkehrsrechtlich zulässigen Gesamtgewicht besteuert wurde. Die ab 10.10.1996 unbefristet festgesetzte Jahressteuer betrug 314 DM.
Anläßlich einer am 18.11.1998 vorgenommenen Besichtigung wurde dem FA bekannt, daß es sich bei dem Fahrzeug um einen viertürigen sog. „Pick-Up Doppelkabiner ” handelt (vgl. Foto Bl. 16 RS FA-Akte).
Das FA hat daraufhin von der Zulassungsstelle eine Gesamtinformation über das Fahrzeug angefordert.
Den übersandten Unterlagen ließ sich unter anderem folgendes entnehmen:
Antriebsart: Dieselmotor; Schadstoff stufe; nicht schadstoffarm (erfüllt Abgasrichtlinie 93/59/III); Hubraum: 2.494 ccm; Zahl der Sitzplätze: 4, wahlweise 5.
Aufgrund dieser Feststellungen sah das FA die Voraussetzungen für eine kraftfahrzeugsteuerrechtliche Anerkennung als Lkw nicht als erfüllt an. Am 7.12.1998 erließ das FA einen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten Steuerbescheid. Dabei wurde die Kraftfahrzeugsteuer bei einem Steuersatz von 45,50 DM je angefangene 100 ccm Hubraum auf 1.137 DM jährlich, beginnend ab 10.10.1996, neu festgesetzt.
Mit dem Einspruch (Schreiben vom 8.12.1999) macht der Kläger geltend, eine rückwirkende Änderung komme nicht in Betracht, da dem § 176 AO entgegen stehe.
Auch die Änderung des Steuerbescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sei nicht zulässig, da hier kein Fall des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO vorliege.
Das FA wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 19.3.1999 (Bl. 25 f PA-Akte) als unbegründet zurück.
Bei einem Fahrzeug mit einer Ladefläche, die offen (sog. offener Kasten) ist, und bei dem durch eine durchgehend fest eingebaute Trennwand der Raum zur Personenbeförderung von der zur Beförderung von Gütern dienenden Ladefläche abgetrennt sei (sog. Pritsche oder auch Pick-Up), komme es darauf an, ob die Ladefläche deutlich erkennbar die zur Personenbeförderung dienende Bodenfläche übertreffe (s. hierzu Urteile des Finanzgerichts München vom 15.7.1998 – 4 K 2303/97, nicht veröffentlicht – und vom 12.8.1998 4 K 3970/97).
Diese Voraussetzungen seien bei dem Fahrzeug des Klägers eindeutig nicht erfüllt. Die Fläche des Laderaums betrage 1,84 qm (1,34 m × 1,37 m), die des Fahrgastinnenraums 2,69 qm (1,96 m × 1,37 m; s. hierzu Besichtigungsprotokoll des FA vom 11.2.1999).
Im übrigen durfte das FA, ohne seine Amtsermittlungspflicht zu verletzen, die ihm von der Verkehrsbehörde übermittelte Einstufung eines Fahrzeugs als Lkw der Kraftfahrzeugsteuerfestsetzung zugrunde legen, wenn kein konkreter, d. h. durch die für das FA ersichtlichen Umstände des Einzelfalls begründeter Anlaß besteht, an der Richtigkeit dieser Einstufung zu zweifeln. Das FA ist nicht durch § 88 AO verpflichtet, den Fahrzeugtyp festzustellen. Es besteht seitens des FA auch keine Verpflichtung, „ins Blaue hinein ” zu ermitteln (s. hierzu BFH-Urteil vom 14.5.1998, BStBl II, S. 579).
Die Kenntnis der Zulassungsstelle sei hierbei nicht dem FA anzulasten, da die Zulassungsstelle kein Organ des FA sei (vgl. BFH-Urteil vom 7.10.1989, BStBl II 1990, S. 249 und Urteil des Finanzgerichts München vom 12.6.1980, EFG 1980, S. 518).
Mit der Klage (Schreiben vom 18.4.1999) beantragt der Kläger sinngemäß, den angefochtenen Kraftfahrzeugsteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Auch bei einem „programmgesteuerten Massenverfahren ” habe das FA von Anfang an über eine entsprechende Schlüsselung Kenntnis vom angemeldeten Fahrzeugtyp, bzw. hätte es unschwer einen Kraftfahrzeugsteuerbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassen können. Interne Abstimmungsprobleme zwischen Zulassungsstelle und FA könnten nicht zu Lasten des Klägers gehen.
Das FA beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Kfz wurde ab 12.4.1999 infolge Auflastung wieder als Lkw besteuert.
Vor dem Senat hat am 2.2.2000 mündliche Verhandlung in öffentlicher Sitzung stattgefunden. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
II.
Die Klage ist begründet.
Das FA hat zu Unrecht den angefochtenen Kraftfahrzeugsteuerbescheid gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geändert. Treu und Glauben stehen einer solchen Änderung entgegen, da das F...