Entscheidungsstichwort (Thema)
Gemeinsamer Haushalt von mehreren Kindergeldberechtigten
Leitsatz (redaktionell)
1. Gemeinsamer Haushalt im Sinne des § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG bedeutet, dass die Beteiligten, wenn auch jeder auf seine besondere Weise, zum Unterhalt der Familie beitragen und der Haushalt jedem zuzurechnen ist. Nicht allein entscheidend sind die rechtlichen Beziehungen der Beteiligten zum Haushalt, etwa die Frage, wer Mieter der Wohnung ist.
2. Für die Annahme eines gemeinsamen Haushalts genügt das räumliche Zusammenleben mit gemeinsamer Versorgung in einem Haushalt. Auf die Kostenbeiträge der einzelnen Haushaltsmitglieder kommt es nicht an.
3. Die Tätigkeiten Kochen und Putzen in einer Wohnung reichen nicht aus, um einen ehemals gemeinsamen Haushalt von der Klägerin mit dem Beigeladenen weiterzuführen.
Normenkette
EStG § 64 Abs. 1, 2 Sätze 1-2
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen werden nicht erstattet.
Tatbestand
Streitig ist, ob das Kind [… MM] (geboren am […] 1999) in der Zeit von März 2014 bis November 2014 noch in einem gemeinsamen Haushalt der Eltern gelebt hat und ob die Klägerin Kindergeld für diesen Zeitraum zurückzuzahlen hat.
I.
Die Klägerin und der Beigeladene sind die Eltern des Kindes MM. Das Ehescheidungsverfahren zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen ist beim Amtsgericht […] (M-Stadt) anhängig.
Der Klägerin wurde laufend Kindergeld für MM gewährt und regelmäßig bis November 2014 auf das Gemeinschaftskonto der Klägerin und des Beigeladenen bei der Postbank (Kontonummer xxx 4758 09) ausbezahlt. Ab Dezember 2014 erfolgte die Auszahlung auf das Konto der Klägerin bei der Sparkasse M-Stadt (Kontonummer xxx 0402 53).
Die Klägerin lebte mit dem Beigeladenen in einem gemeinsamen Haushalt in […] (Haushalt K-Dorf). Seit dem 24. Februar 2014 verfügt die Klägerin über eine eigene Wohnung in der […] in M-Stadt (Haushalt M-Stadt), in der sie seitdem übernachtete. MM blieb zusammen mit dem Beigeladenen im Haushalt in K-Dorf wohnen. Im Zeitraum von März 2014 bis November 2014 fuhr die Klägerin täglich in den Haushalt in K-Dorf, versorgte den Haushalt und den Garten, kaufte ein und kochte, damit MM bei seiner Rückkehr aus der Schule ein warmes Mittagessen haben konnte. Auch für den Beigeladenen bereitete die Klägerin Essen zu, welches dieser am Abend zu sich nahm. Die Klägerin erledigte sämtliche Fahrten mit und für MM, Fahrten zu Sportvereinen und Freunden, zu Ärzten. Kurz bevor der Beigeladene abends nach Hause kam, jeweils gegen 18:00 Uhr, fuhr die Klägerin dann zurück in ihren Haushalt nach M-Stadt. Im November 2014 teilte der Beigeladene der Klägerin mit, dass sie für ihn nicht mehr kochen und einkaufen müsse und sich nur noch um MM kümmern solle. Darauf schränkte die Klägerin ihre Tätigkeit insoweit ein, dass sie erst am späteren Vormittag von M-Stadt nach K-Dorf fuhr. Sie bereitete im Haushalt K-Dorf für MM ein warmes Mittagessen zu, sorgte für dessen Wäsche und putzte das Haus, soweit es MM betraf. Nach der Schule blieb sie noch da, um MM Gesellschaft zu leisten. Außerdem erledigte sie für MM weiter viele Autofahrten. Da der Haushalt in K-Dorf in einem abgelegenen Anwesen liegt und es zudem kaum öffentliche Verkehrsmittel gibt, war MM für alle Fahrten zum Sporttraining, zu Freunden oder anderen Aktivitäten an den Werktagen am Nachmittag auf die Klägerin angewiesen. Ab Juli 2016 untersagte der Beigeladene der Klägerin, dass sie weiter in den Haushalt nach K-Dorf kommt. Der Beigeladene packte alle persönlichen Dinge der Klägerin zusammen und ließ alles in den Haushalt nach M-Stadt liefern. Ab Juli 2016 fand sich MM nur noch einmal in der Woche bei der Klägerin zum Mittagessen ein. Dem Einwohnermeldeamt zeigte die Klägerin an, dass sie am 1. August 2016 aus dem Haushalt in K-Dorf ausgezogen sei und seit 1. August 2016 nur noch über die einzige Wohnung in M-Stadt (in die sie am 4. November 2012 eingezogen sei) verfüge […].
Mit Bescheid vom 22. Dezember 2017 hob die Beklagte, die Familienkasse, gegenüber der Klägerin die Kindergeldfestsetzung für MM ab Januar 2017 auf. Mit Bescheid vom 15. Februar 2017 hob die Beklagte die Kindergeldfestsetzung für MM ab November 2016 auf und forderte das überbezahlte Kindergeld von 380 EUR zurück und erklärte, dass aufgrund der Weiterleitungserklärung des Beigeladenen vom 10. Februar 2017 der Rückforderungsanspruch als erfüllt angesehen werde.
Mit Schreiben vom 16. Januar 2018 forderte die Beklagte die Klägerin auf, dazu Stellung zu nehmen, dass sie möglicherweise in der Zeit von März 2014 bis Oktober 2016 Kindergeld bezogen habe, obwohl darauf kein Anspruch bestehe, denn MM lebe seit dem 24. Februar 2014 bei dem Beigeladenen. Mit Bescheid vom 6. März 2018 hob die Beklagte gegenüber der Klägerin die Kindergeldfestsetzung von MM für den Zeitraum von März 2014 bis einschließlich Oktober 2016 auf, da MM in den Haushalt des Beigeladenen aufgenommen sei und dieser deshalb den ...