Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerpflicht des Überschusses aus der Veräußerung von Indexzertifikaten. Einkommensteuer 2000
Leitsatz (redaktionell)
1. Wird dem Käufer von Indexzertifikaten nur die Rückzahlung von ca. 10 % des beim Erwerb eingesetzten Kapitals fest zugesagt, so ist darin keine „Rückzahlung” i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu sehen (Abgrenzung zum BMF-Schreiben vom 16.3.1999 IV C 1 – S 2252 – 87/99, BStBl I 1999, 433).
2. Das Indexzertifikat kann in diesem Fall auch nicht steuerlich in eine Kapitalforderung von 10% aufgespalten werden, deren Rückzahlung in voller Höhe zugesichert ist, und eine Forderung von 90%, bezüglich derer keine Rückzahlung zugesichert ist; ein Gewinn aus dem nach Ablauf der Frist für private Veräußerungsgeschäfte erfolgten Verkauf der Zertifikate ist daher in voller Höhe nicht steuerpflichtig.
Normenkette
EStG 2000 § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 S. 1 Nr. 4 S. 1 Buchst. c, § 23
Nachgehend
Tenor
1. Unter Änderung des Einkommensteuerbescheides vom 1.12.2003 wird die Einkommensteuer für 2000 auf 91.406,21 EUR festgesetzt.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
4. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig (§ 139 Abs. 3 Satz 3 Finanzgerichtsordnung).
Tatbestand
Streitig ist, ob der Überschuss aus der Veräußerung von Index Zertifikaten steuerpflichtig ist.
Die Klägerin erwarb am 28.5.1998 100 Stück Merrill Lynch International & Co. DOW TOP 10 Euro-Zertifikate im Nominalwert von 1.000 US-Dollar für 975 US-Dollar je Stück. Verfallstag war der 17.6.2002. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Inhaber einen unbesicherten nicht bevorrechtigten Anspruch gegen die Emittentin auf den Rückzahlungsbetrag. Dieser errechnete sich nach dem Verhältnis des Endniveaus des Referenzindexes zum Anfangsniveau des Referenzindexes. Als Mindestrückzahlungsbetrag waren 100 US-Dollar zugesichert. Die Index-Zertifikate wurden an der Börse notiert und konnten frei gehandelt werden. Am 13.11.2000 verkaufte die Klägerin die Zertifikate und erzielte einen unstreitigen Überschuss in Höhe von 101.401 DM. Die Klägerin wickelte Kauf und Verkauf über die Hypo-Vereinsbank ab. Diese behielt vom Überschuss Zinsabschlagsteuer und Solidaritätszuschlag ein. In der gemeinsamen Steuererklärung gaben die Kläger den Erlös nicht als Einkünfte aus Kapitalvermögen an, legten den Sachverhalt aber gegenüber dem Finanzamt offen.
Das Finanzamt behandelte die Einkünfte aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) in der Fassung gemäß Art. 1 Nr. 35e StÄndG 2001 und setzte die Einkommensteuer für 2000 mit Bescheid vom 29.11.2002 auf 118.610 EUR fest. Mit Änderungsbescheid nach § 10d Abs. 1 Satz 5 EStG setzte es die Einkommensteuer für 2000 mit Bescheid vom 11.2.2003 auf 117.793,98 EUR herab.
Den Einspruch vom 4.3.2002 wies das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 13.5.2003 als unbegründet zurück.
Zur Begründung der hiergegen gerichteten Klage wird im Wesentlichen vorgetragen: Die Kapitalanlage der Klägerin falle auch nicht unter § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, da weder die Rückzahlung noch eine Verzinsung zugesagt gewesen sei. Die Garantie der Rückzahlung eines Betrages von 100 sei zu gering, um sie als Rückzahlung des Vermögens ansehen zu können. Da es sich um keine sonstige Forderung i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG handle, greife auch § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG nicht ein. Die Regelungen des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4a d seien auch jeweils für sich nicht einschlägig.
Die in § 52 Abs. 37b EStG in der Fassung des StÄndG 2001 bestimmte Anwendung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG in der Fassung des StÄndG 2001 auf alle noch nicht bestandskräftigen Veranlagungszeiträume stelle eine verfassungswidrige Rückwirkung dar. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den klägerischen Schriftsatz vom 5.9.2003 mit Anlagen Bezug genommen. Der am 1.12.2003 gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) ergangene Änderungsbescheid für 2000, mit dem die Einkommensteuer auf 117.850,22 herabgesetzt wurde, ist gemäß § 68 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Verfahrens.
Die Kläger beantragen sinngemäß, unter Änderung des Einkommensteuerbescheides vom 1.12.2003, die Einkommensteuer für 2000 in der Höhe festzusetzen, die sich ergibt, wenn die Einkünfte aus Kapitalvermögen um 101.401,28 DM niedriger angesetzt werden. Sie beantragen ferner, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Das Finanzamt beantragt Klageabweisung.
Die Zusicherung einer Rückzahlung von nur rund 10% genüge für die Annahme von Einkünften aus Kapitalvermögen i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in Verbindung mit § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG. Die Verwaltung sei an die...