Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellungsverjährung und Ablaufhemmung bei fehlender Feststellungserklärung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Einreichung einer Steuererklärung ist kein Antrag im Sinne des § 171 Abs. 3 AO, wenn ihre Abgabe gesetzlich vorgeschrieben und die Veranlagung von Amts wegen durchzuführen ist.
2. Ein Antrag im Sinne des § 171 Abs. 3 AO liegt auch dann nicht vor, wenn zeitgleich mit oder zeitlich nach Einreichung der gesetzlich vorgeschriebenen Erklärung im Hinblick auf die drohende Festsetzungsverjährung ausdrücklich ein Antrag auf Veranlagung oder Änderung der Veranlagung gestellt wird.
3. Ebenso liegt kein Antrag im Sinne des § 171 Abs. 3 AO vor, wenn nur ein Änderungsantrag gestellt wird und noch gar keine Steuererklärung abgegeben wurde oder eine Steuererklärung erstmalig erst später nach regulärem Ablauf der Verjährungsfrist zur Begründung des Antrages abgegeben wird.
Normenkette
AO § 170 Abs. 2 Nr. 1, § 171 Abs. 3, 3a, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 181 Abs. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Die Klägerin ist eine Grundstücksgemeinschaft bestehend aus drei Gesellschaftern ([… PX, QX und AX). Die Grundstücksgemeinschaft erzielt Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus einer Eigentumswohnung […] (Objekt H-Straße) und eines Hauses […] (Objekt B-Straße). Beide Objekte stehen im Miteigentum der Feststellungsbeteiligten zu jeweils einem Drittel seit Beginn der 1990er-Jahre.
Da die Grundstücksgemeinschaft trotz Aufforderung für das Streitjahr 2010 keine Feststellungserklärung abgab, schätzte der Beklagte, das Finanzamt, mit Bescheid vom 1. Oktober 2012 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung die Besteuerungsgrundlagen und stellte gesondert und einheitlich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 4.000 EUR fest und rechnete die Einkünfte jeweils zu einem Drittel den drei Feststellungsbeteiligten zu. Mit Bescheid vom 19. Dezember 2013 hob das Finanzamt den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Beide Bescheide waren adressiert an AX und enthielten den Zusatz: Der Bescheid ergeht an Sie als Empfangsbevollmächtigten mit Wirkung für und gegen alle Feststellungsbeteiligten.
Am 29. Dezember 2017 reichte die Grundstücksgemeinschaft eine Anlage V für 2010 zusammen mit einer Anlage FE1 für 2010 zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung beim Finanzamt ein und beantragte die „Festsetzung laut Anlage”. Angegeben war, dass aus dem Objekt H-Straße Einnahmen von 3.600 EUR und Werbungskosten in Höhe von 4.302 EUR und damit ein Werbungskostenüberschuss in Höhe von -702 EUR erzielt worden seien.
Mit Bescheid vom 15. Mai 2018 lehnte das Finanzamt den Antrag auf Änderung des Feststellungsbescheides 2010 ab. Den dagegen gerichteten Einspruch vom 18. Juni 2018 übermittelte AX per Telefax am 22. Juni 2018 an das Finanzamt. Zur Begründung gab er an, dass der Ablehnungsbescheid vom 15. Mai 2018 den Poststempel vom 16. Mai trage. Auf die Aufforderung zur weiteren Begründung des Einspruchs reichte die Grundstücksgemeinschaft am 18. Oktober 2018 eine Erklärung vom 3. September 2018 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen beim Finanzamt ein und gab an, dass sie laufende Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von -4.295 EUR erzielt habe, die zu jeweils einem Drittel den Feststellungsbeteiligten zuzurechnen sei. Aus dem Objekt H-Straße sei ein Werbungskostenüberschuss in Höhe von -3.728 EUR und aus dem Objekt B-Straße sei ein Werbungskostenüberschuss in Höhe von -567 EUR erzielt worden. Ergänzend teilte AX für die Grundstücksgemeinschaft mit, dass er den Bescheid des Finanzamts vom 19. Dezember 2013 nicht erhalten habe.
Mit Einspruchsentscheidung vom 12. November 2018 verwarf das Finanzamt den Einspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 15. Mai 2018 als unzulässig, da die Einspruchsfrist am 18. Juni 2018 abgelaufen sei und der Einspruch am 22. Juni 2018 und somit verspätet eingelegt worden sei. Mit seinem Antrag auf Aufhebung der Einspruchsentscheidung legte AX eine Kopie des Briefkuverts des Finanzamts vor, das mit dem Poststempel vom 16. Mai 2018 versehen war und trug vor, dass der Ablehnungsbescheid erst am 22. Mai 2018 zugegangen sei. Darauf hob das Finanzamt mit Bescheid vom 13. Dezember 2018 die Einspruchsentscheidung vom 12. November 2018 auf und teilte der Klägerin mit, dass das Einspruchsverfahren fortgesetzt werde. Mit Einspruchsentscheidung vom 19. Dezember 2018 wies das Finanzamt den Einspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 15. Mai 2018 als unbegründet zurück. Das Finanzamt war der Auffassung, dass eine Änderung des Feststellungsbescheides für 2010 wegen Eintritts der Feststellungsverjährung nicht mehr möglich sei.
Dagegen richtet sich die Klage. Zur Begründung trägt die Klägerin vor, dass keine Feststellungsverjährung eingetreten sei. Die Erstellung und der Versand eines Steuerbescheids sei auch noch am 29. Dezember 2017 theoretisch möglich gewesen. § ...