Entscheidungsstichwort (Thema)

Regel-Festsetzungsverjährung für ESt (4 Jahre). Ablaufhemmungen gem. § 10 d Satz 3, 2. Halbsatz EStG 1977, § 173 Abs. 3 und 10 AO. inhaltliche Reichweite des Grundsatzes von Treu und Glauben (wirkt nicht anspruchsbegründend). Durchführung des Verlustrücktrages nach 1976 nach § 10 d EStG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Vorschrift des § 173 Abs. 3 Satz 1 AO setzt einen unmissverständlichen Antrag auf eine bestimmte Steuerfestsetzung oder Aufhebung oder Änderung einer bestimmten Steuerfestsetzung voraus.

2. § 171 Abs. 10 gilt nur für Grundlagenbescheide und ist auf die spezielle Korrekturvorschrift des § 10 d Sätze 2 und 3 EStG 1977 nicht anwendbar. Der Bescheid für das Verlustentstehungsjahr (hier: 1977) ist für das Verlustabzugsjahr (1976) gerade nicht verbindlich, da über die Abziehbarkeit eines negativen Gesamtbetrags der Einkünfte erst im Bescheid für das Verlustabzugsjahr entschieden wird.

 

Normenkette

AO § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 171 Abs. 3 Sätze 1, 3 a.F., Abs. 10; EStG 1977 § 10d S. 3

 

Tenor

2. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger war in der BRD bis Ende 1976 als Rechtsanwalt tätig und verlegte im Dezember 1976 seinen Wohnsitz ins Ausland. Der Berichterstatter nimmt Bezug auf den Tatbestand des Gerichtsbescheids vom 07. Dezember 1995 Az. 8 K 5406/89 (Bl. 644 – 650 FG-Akte III 8 K 5406/89).

Mit Bescheid vom 07. November 1983 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. Oktober 1984 (Bl. 33 – 41 FG-Akte) setzte der Beklagte (das Finanzamt) die Einkommensteuer 1976 auf 159.540,– DM fest (zu versteuerndes Einkommen: 330.210,– DM).

Für 1977 setzte das ab 1977 wegen der beschränkten Steuerpflicht des Klägers zuständig gewordene Finanzamt die Einkommensteuer mit Bescheid vom 14. Juni 1985 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. November 1989 auf 490.181,– DM fest. Mit der dagegen eingelegten Klage machte der Kläger zunächst geltend, dass die an ihn erbrachten Leistungen allenfalls mit 10.000,– DM bewertet werden könnten und der Einkommensteuerbescheid 1977 in Gestalt der Einspruchsentscheidung daher ersatzlos aufzuheben sei (Schriftsatz vom 27. März 1990, Bl. 8 – 10 FG-Akte I 8 K 5406/89). Im Schriftsatz vom 17. Januar 1994 (Bl. 128 – 151 FG-Akte II 8 K 5406/89) mit 10 Anlagen wurden vorgetragen, dass eine Verwertung der vertraglichen Leistung im Inland gem. § 49 Abs. 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht vorgelegen habe und außerdem die Vermögensverwaltung für das Ehepaar K. (K) in 1977 mit einem Verlust i.H.v. 762.409,09 DM geendet habe. Dieser Betrag ergibt sich aus der beigefügten Bilanz zum 31. Dezember 1977 nebst Gewinn- und Verlustrechnung (Bl. 312 – 314 a.a.O.).

Der Klageantrag war gerichtet auf ersatzloser Aufhebung des Einkommensteuerbescheids 1977 in Gestalt der Einspruchsentscheidung; hilfsweise darauf, das Ergebnis der berichtigten Bilanz (./. 762.409,09 DM) dem steuerlichen Ergebnis für 1977 zugrunde zu legen.

Die Klage hatte Erfolgt. Mit Gerichtsbescheid vom 07. Dezember 1995 (Bl. 441 – 456 FG-Akte III 8 K 5406/89) setzte das Finanzgericht die Einkommensteuer 1977 auf 0 DM herab und ließ die Revision zu. Es vertrat die Auffassung, dass der buchführende Kläger eine gewinnmindernde Rückstellung i.H.v. 1.319.392,– DM habe bilden dürfen.

Der Gerichtsbescheid, der gem. § 90 a Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) als Urteil wirkte, wurde beiden Beteiligten am 21. Dezember 1995 zugestellt (Bl. 458 f a.a.O.). Er wurde am 22. Januar 1996 (einem Montag) rechtskräftig.

Mit Schreiben vom 31. Januar 1996, das beim ab 1977 zuständigen Finanzamt am 01. Februar 1996 einging, beantragte der Kläger einen entsprechend dem Gerichtsbescheid geänderten Einkommensteuerbescheid 1977 zu erlassen und den Verlust gem. § 10 d EStG in der für das Jahr 1977 geltenden Fassung auf das Jahr 1976 zurückzutragen; hierfür sei das beklagte Finanzamt zuständig. Mit Schreiben vom 23. Februar 1996, das beim beklagten Finanzamt am 14. März 1996 einging, bat das ab 1977 zuständige Finanzamt unter Mitteilung des negativen Gesamtbetrags der Einkünfte und Durchführung des Verlustrücktrags auf 1976. Am 11. März 1996 erging ein geänderte Einkommensteuerbescheid 1977 (Bl. 42 FG-Akte) mit einem Gesamtbetrag der Einkünfte von ./. 319.392,– DM. Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 18. März 1996 (wiederum an das ab 1977 zuständige Finanzamt, Bl. 73 Einkommensteuer-Akte 1976 – Bd. III –) erneut die Durchführung des Verlustrücktrags.

Dies lehnte das beklagte Finanzamt mit Bescheid vom 01. September 1997 wegen eingetretener Festsetzungsverjährung ab (Bl. 79 s. Einkommensteuer-Akte 1996 – Bd. III –). Der dagegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 22. Februar 2000, Bl. 155 – 159 Rb-Akte II).

Das Finanzamt stützte seine Entscheidung auf zwei Gründe.

a) Eintritt der Festsetzungsverjährung mit Ablauf des 22. Januar 1996;

b) Ablehnung der beschränkten Steuerpflicht gem. § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG (keine Verwertung der für das Ehepaar K in...

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