rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachweis eines niedrigeren Grundstückswerts durch Sachverständigengutachten nur möglich, wenn der Wert nachvollziehbar und hinsichtlich seiner Berechnungsgrundlagen den wissenschaftlichen Anforderungen genügt
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Sachverständigengutachten eignet sich nur für den Nachweis eines gegenüber der gesetzlich typisierten Ertragswertfeststellung niedrigeren gemeinen Werts gem. § 146 Abs. 7 BewG, wenn der hierin gefundene Wert in jeder Hinsicht nachvollziehbar und hinsichtlich seiner Berechnungsgrundlagen den wissenschaftlichen Anforderungen genügend transparent ist.
2. Macht ein Gutachter seine Kenntnisse und Erfahrungen zur Grundlage für ein Verkehrswertgutachten, welches dem Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts dient, müssen die Erfahrungswerte mit nachprüfbaren Vergleichswerten belegt und auf diese Weise für Dritte plausibel gemacht werden. Das Gericht muss sicher sein können, dass das Gutachten den objektiv nachprüfbar wahrscheinlichsten gemeinen Wert ermittelt.
3. Das Ertragswertverfahren ist für die Bewertung bebauter Grundstücke für Produktions- und Dienstleistungszwecke sachgerecht.
Normenkette
BewG § 146 Abs. 7, 2 S. 1, § 138; ImmoWertV; WertV § 7 Abs. 1 S. 2, § 3 Abs. 3; ErbStG § 12 Abs. 3
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des gesamten Rechtsstreits, einschließlich des Verfahrens vor dem Bundesfinanzhof, tragen die Kläger.
Tatbestand
I.
Streitig ist die Höhe des Grundbesitzwertes für Zwecke der Erbschaftsteuer. Die Sache befindet sich im zweiten Rechtszug.
Die Kläger sind Erben nach der am 31. Oktober 2003 verstorbenen Frau X Y. Im Rahmen des Erbfalls ging ein Anteil von ein Halb am Grundstück Z., S-Str. 30 auf die Kläger über.
Auf Veranlassung des für die Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamts führte der Beklagte (FA) eine Bedarfsbewertung nach §§ 138 ff. des Bewertungsgesetzes (BewG) im Wege des Ertragswertverfahrens nach § 146 BewG auf den 31. Oktober 2003 durch.
Der den Mindestwert (§ 146 Abs. 6 BewG) übersteigende Grundstückswert im Ertragswertverfahren wurde nach § 146 Abs. 2 bis 5 BewG ausgehend von einer durchschnittlichen Jahresmiete von … EUR mit … EUR ermittelt.
Mit Bescheid vom 20. Mai 2005 über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 31. Oktober 2003 stellte das FA den Wert der wirtschaftlichen Einheit S-Str. 30 in Z. auf einen Wert von … EUR fest und rechnete diesen Wert den Klägern entsprechend ihren Anteilen am Erwerb mit jeweils … EUR zu.
Mit dem Einspruch beantragten die Kläger den Ansatz eines geringeren gemeinen Werts nach § 146 Abs. 7 BewG. Zu dessen Nachweis legten die Kläger ein Verkehrswertgutachten vor, in dem ein Ertragswert von … EUR und ein Sachwert von … EUR ausgewiesen wird. Der Verkehrswert wurde mit … EUR festgestellt.
Mit Einspruchsentscheidung vom 27. Oktober 2005 bildete das FA den Mittelwert aus Ertragswert und Sachwert des vorgenannten Gutachtens und setzte den Grundbesitzwert auf diesen Wert herab. Im Übrigen wies es den Einspruch als unbegründet zurück.
Diese Entscheidung wurde vom erkennenden Senat in seiner damaligen Besetzung im ersten Rechtszug mit Urteil vom 1. August 2007 4 K 4260/05 (Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2007, 1746) bestätigt. Auf den Wortlaut dieser Entscheidung wird Bezug genommen.
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger ließ der Bundesfinanzhof (BFH) mit Beschluss vom 9. April 2008 II B 52/07 (n.v.) die Revision zu und hob mit Urteil vom 3. Dezember 2008 II R 19/08 (BFHE 224, 268, BStBl II 2009, 403) das Urteil des Senats auf. Gleichzeitig verwies er die Sache an das Finanzgericht München zurück.
Zur Begründung führte der BFH aus, es sei nicht sachgerecht, den Verkehrswert schematisch durch Mittelung von Ertrags- und Sachwert zu bestimmen. Die Sache sei nicht spruchreif. Das von den Klägern vorgelegte Gutachten genüge den Anforderungen an den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts nicht.
Zwar habe der Sachverständige die Ermittlung des Verkehrswerts anhand des Ertragswerts grundsätzlich zutreffend begründet. Es fehle aber die Berücksichtigung der Lage auf dem Grundstücksmarkt wie § 7 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung über Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken (Wertermittlungsverordnung – WertV–) sie für alle Bewertungsverfahren vorsehe. Unter „Lage auf dem Grundstücksmarkt” sei dabei gemäß § 3 Abs. 3 WertV die Gesamtheit der am Wertermittlungsstichtag (Besteuerungszeitpunkt) für die Preisbildung von Grundstücken im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für Angebot und Nachfrage maßgebenden Umstände zu verstehen. Hervorzuheben sei, dass danach die Maßgeblichkeit der Umstände nicht nur aus der Sicht der Nachfrager und deren Ertragserwartungen, sondern auch aus der Sicht der Anbieter zu beurteilen sei. Dieser letzte Schritt jeder Grundstücksbewertung – und zwar auch nach der WertV – sei im Streitfall unterblieben.
Zum Liegenschaftszinssatz, der bislang mit 6 v.H. als Hilfswert gemäß Nr. 3.5.4 Abs. 2 Satz 4 der Werte...