Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermittlung der zumutbaren Belastung nach § 33 Abs. 3 Satz 1 EStG bei getrennter Veranlagung von Ehegatten
Leitsatz (redaktionell)
Auch wenn die Ehegatten im Rahmen einer getrennten Veranlagung gemeinsam einen von § 26a Abs. 2 Satz 1 EStG „hälftiger Abzug”) abweichenden Abzug der außergewöhnlichen Belastungen beantragen, ist die zumutbare Belastung nach § 33 Abs. 3 Satz 1 EStG ausgehend vom zusammengerechneten Gesamtbetrag der Einkünfte beider Ehegatten und nicht etwa nur ausgehend vom Gesamtbetrag der Einkünfte eines Ehegatten zu ermitteln. Diese Rechtslage ist verfassungskonform und führt nicht zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung der Ehegatten im Vergleich zu unverheirateten Paaren.
Normenkette
EStG 2002 § 33 Abs. 3 S. 1, § 26a Abs. 2 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Tatbestand
Die verheiratete Klägerin wird beim Beklagten (= das Finanzamt – FA –) zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. Für das Streitjahr 2002 hat sie die Durchführung einer getrennten Veranlagung nach § 26a Einkommensteuergesetz (EStG) beantragt. In ihrer ESt-Erklärung 2002 machte sie die Aufwendungen in Höhe von 105.518 EUR für die Pflege ihrer Eltern im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen nach § 33 EStG geltend, die der Beklagte im nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geänderten ESt-Bescheid 2002 vom 21. Juli 2004 antragsgemäß berücksichtigte. Die zumutbare Belastung i. S. des § 33 Abs. 3 EStG ermittelte das FA mit (6 v. H. aus Gesamtbetrag der Einkünfte der Klägerin in Höhe von 688.623 EUR + Gesamtbetrag der Einkünfte des Ehemannes der Klägerin in Höhe von 115.823 EUR = 804.446 EUR =) 48.266 EUR.
Mit der hiergegen erhobenen Sprungklage, der das FA innerhalb der Frist des § 45 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) zugestimmt hat, wendet sich die Klägerin gegen die Ermittlung der zumutbaren Belastung. Zur Begründung trägt sie vor, dass die vom FA vorgenommene Auslegung des § 26a Abs. 2 Satz 1 EStG, wonach die außergewöhnlichen Belastungen bei getrennter Veranlagung wie im Falle der Zusammenveranlagung zu ermitteln seien, vom Wortlaut der Vorschrift nur gedeckt werde, wenn die Ehegatten keine andere Aufteilung als den jeweils hälftigen Abzug der außergewöhnlichen Belastungen beantragten. Falls – wie im Streitfall – eine andere Aufteilung beantragt werde, seien die außergewöhnlichen Belastungen wie bei einer getrennten Veranlagung zu ermitteln. Aber selbst wenn die Auslegung des FA zutreffend und vom Wortlaut der Vorschrift gedeckt sein sollte, werde sie hierdurch in verfassungswidrigerweise gegenüber unverheirateten Paaren benachteiligt, die außergewöhnliche Belastungen ohne die Zusammenrechnung der Einkünfte in wesentlich höherem Umfang abziehen könnten. Hierin lägen Verstöße gegen Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 sowie Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Auf den mittels Telefax am 3. November 2006 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 3. November 2006 wird ergänzend Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt, in Änderung der angefochtenen Entscheidung die ESt 2002 auf 293.120 EUR herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt Klageabweisung.
Er verweist darauf, dass § 26a Abs. 2 i. V. m. § 33 Abs. 3 Nr. 1 EStG dem Grundsatz des Art. 6 Abs. 1 GG, Ehegatten nicht schlechter zu stellen als Unverheiratete, ausreichend Rechnung trage. § 26a EStG behandele die Ehegatten grundsätzlich als selbständige Steuerpflichtige und berücksichtige das Eheverhältnis nur begrenzt. Dies habe das Bundesverfassungsgericht (BverfG) als mit dem GG vereinbar angesehen. Die angegriffene Berechnung der zumutbaren Belastung sei auch sachlich gerechtfertigt, da die Ehegatten bei einer anderen Betrachtungsweise gehindert wären, eine ihrer Ansicht nach zutreffende Aufteilung vorzunehmen. Im Hinblick auf die gemeinsamen Interessen und Zweckvorstellungen innerhalb einer Ehe sei es nach dem Beschluss des BverfG vom 25. Januar 1972 1 BvL 30/69, (Bundessteuerblatt – BStBI – II 1972, 325) zulässig, wenn der Gesetzgeber die Ehegatten insoweit als eine Einheit ansehe.
Auf die Sitzungsniederschrift vom 8. November 2006 wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
1. Das FA hat die zumutbare Belastung der Klägerin im Rahmen des § 33 EStG zutreffend ermittelt.
Nach § 33 Abs. 1 EStG kann die ESt ermäßigt werden, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie gleichen Familienstandes erwachsen. Abgezogen vom Gesamtbetrag der Einkünfte wird der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung übersteigt.
a) Die zumutbare Belastung ermittelt sich bei getrennter Veranlagung gemäß § 26a Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 3 Nr. 1 EStG. Nach § 26a Abs. 2 Satz 1 EStG werden außergewöhnliche Belastungen ...