Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausbildungswilligkeit - Schulanmeldung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Dass ein Kind bereits eine Berufsausbildung abgeschlossen hat, schließt eine erneute Ausbildung - vor allem zum Meister - nicht aus.

2. Ausbildungswilligkeit ist eine innere Tatsache, die sich an objektiven Umständen manifestieren muss. Hat ein voll berufstätiges Kind die Absicht, eine Berufsausbildung (wieder) aufzunehmen, entsteht nicht gleichzeitig von diesem Zeitpunkt an Ausbildungswilligkeit. Bewerbung und auch eine eventuelle Zusage bei der Berufsoberschule können sich stets nur auf den Beginn des Schuljahres beziehen.

3. Nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 c EStG ist für die grundsätzliche Berücksichtigung im Rahmen des Familienleistungsausgleichs erforderlich, dass die Berufsausbildung "mangels Ausbildungsplatz" nicht begonnen oder fortgesetzt werden kann. Das heißt, dass die Verzögerung der Ausbildung auf dem fehlenden Ausbildungsplatz und nicht auf schulorganisatorischen Gründen beruhen muss.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c

 

Gründe

I.

Streitig ist, ob das Kind Andreas in den Monaten Juli und August 1998 nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 c Einkommensteuergesetz (EStG) zu berücksichtigen ist und deshalb die Einkünfte des Kindes Andreas in diesen Monaten auf die Höchstgrenze nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG anzurechnen sind.

Der am 18. Juni 1978 geborene Sohn des Klägers (Kl) hat nach Abschluß einer Lehre (28. Februar 1997) bei der bis 31. August 1998 in einem Arbeitsverhältnis gestanden. In den Monaten Juli/August 1998 hat er einen monatlichen Bruttolohn von 4.681 DM bzw. 4.556 DM erhalten.

Am 22. Juli 1998 hat sich Andreas bei der Staatlichen Berufsoberschule (BOS) in für die Klasse V 11 angemeldet. Diese Schule bestätigt einen Schuleintritt am 15. September 1998.

In seinem am 7. Januar 1999 beim Beklagten (dem Arbeitsamt, Familienkasse -AA-) eingegangenen Antrag auf Kindergeld beantragt der Kl Kindergeld für seinen Sohn Andreas von September 1998 bis Juli 1999, dem voraussichtlichen Ende der Schulausbildung (Meisterausbildung).

Mit Bescheid vom 8. Februar 1999 lehnte das AA die Bewilligung von Kindergeld für Andreas ab. Es ging davon aus, daß Andreas bereits ab Juli 1998 als Kind zu berücksichtigen sei. Die Einkünfte in diesen Monaten abzüglich Werbungskosten von 747,66 DM hätten den anteiligen Grenzbetrag für sechs Monate in Höhe von 6.180 DM überstiegen. Das Kindergeld für Juli bis Dezember 1998 könne deshalb nur auf 0 DM festgesetzt werden.

Der dagegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg (vgl. Einspruchsentscheidung -EE- vom 22. Juni 1999). In der Begründung sieht das AA für den Sohn des Kl ab dem Zeitpunkt, an dem er sich an der BOS angemeldet hat (22. Juli 1998), die Voraussetzungen nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 c EStG als gegeben an.

Mit seiner Klage trägt der Kl vor, Andreas habe zum Zeitpunkt der Anmeldung bei der BOS in einem Arbeitsverhältnis gestanden und habe dieses bis zum Beginn der Schule auch nicht aufgeben wollen. Andreas sei daher erst im September 1998 ausbildungswillig gewesen.

Im Berücksichtigungszeitraum September bis Dezember 1998 habe der Sohn des Kl keinerlei Einkünfte gehabt.

Der Kl beantragt sinngemäß,

den Verwaltungsakt vom 8. Februar 1999 in Gestalt der EE vom 22. Juni 1999 aufzuheben und das AA zu verpflichten, Kindergeld für den Sohn Andreas für die Monate September bis Dezember 1998 zu gewähren.

Das AA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist es auf seine EE. Ergänzend führt es aus, das Kind sei ab dem Zeitpunkt zu berücksichtigen, in dem es sich für eine Ausbildung entschlossen habe. Auch die Fortbildung zum Meister sei eine Berufsausbildung. Wenn Andreas sich im Juli 1998 für eine weitere Ausbildung entschlossen habe, dann liege der Tatbestand, daß eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes noch nicht beginnen könne, vor. Solange ernsthafte Bemühungen um die Erlangung eines Ausbildungsplatzes vorlägen, sei das Kind zu berücksichtigen, soweit es das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet habe.

Ausbildungswillig seien volljährige Kinder, wenn sie für den frühestmöglichen Zeitpunkt eine Berufsausbildung anstrebten. Dieses in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe c EStG nicht ausdrücklich enthaltene subjektive Tatbestandsmerkmal der Ausbildungswilligkeit folge aus der Formulierung des Gesetzes, wonach das Kind eine Ausbildung nicht beginnen könne, obwohl es eine solche ergreifen wolle.

Grundsätzlich sei daher jeder ernsthafte Ausbildungswunsch für eine Berücksichtigung anzuerkennen, wenn er nicht wegen der persönlichen Verhältnisse des Kindes als völlig abwegig und unvernünftig erscheine. Der Ausbildungswunsch müsse auch konkret vorliegen, d.h. die Absicht des Kindes müsse sich auf eine bestimmte Ausbildung richten. Der subjektive Wille des Kindes müsse auch glaubhaft sein. Sei z.B. eine Bewerbung noch gar nicht möglich gewesen (z.B. Verfahren ZVS noch nicht eröffnet), genüge für den Nachweis der subjektiven Ausbildungswilligkeit allein schon eine schriftliche Erklärun...

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