Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendung der 1-%-Regelung bei mehreren hochpreisigen Fahrzeugen im Betriebs- und im Privatvermögen eines selbständigen Sachverständigen. Anwendung des Abzugsverbots nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG wegen Unangemessenheit der Aufwendungen für einen Lamborghini. Begriff der „Bewirtung” im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: VIII R 12/21)
Leitsatz (redaktionell)
1. Auch wenn sich im Privatvermögen eines selbständigen Sachverständigen hochpreisige Fahrzeuge befinden (hier: Ferrari F 360 Modena Spider; Jeep Commander mit 8-Zylinder-Motor), spricht bei den im Betriebsvermögen gehaltenen, geleasten Fahrzeugen (hier: Lamborghini Aventador; BMW 740d × Drive) der Beweis des ersten Anscheins für eine auch private Nutzung der betrieblichen Fahrzeuge und für die Anwendung der 1-%-Regelung, wenn er nicht durch Vorlage ordnungsgemäßer Fahrtenbücher widerlegt wird (im Streitfall: nicht immer lesbare und unvollständige Kopien der nicht mehr vorhandenen Originalfahrtenbücher keine „ordnungsgemäßen Fahrtenbücher”). Auch wenn das Finanzamt die Aufwendungen für den Lamborghini teilweise gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG als unangemessen behandelt hat, bleibt für die 1-%-Regelung der Bruttolistenneupreis des Lamborghini maßgebend.
2. Ob ein unangemessener betrieblicher Repräsentationsaufwand im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG bei Beschaffung und Unterhaltung eines geleasten Lamborghini (hier: Leasingberechnungsgrundlage netto 279.831,93 EUR; monatliche Leasingrate brutto 6.514,09 EUR) durch einen selbständigen Sachverständigen vorliegt, ist danach zu beurteilen, ob ein ordentlicher und gewissenhafter Unternehmer – ungeachtet seiner Freiheit, den Umfang seiner Erwerbsaufwendungen selbst bestimmen zu dürfen – angesichts der erwarteten Vorteile und Kosten die Aufwendungen ebenfalls auf sich genommen haben würde.
3. Bei der Angemessenheitsprüfung sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Neben der Größe des Unternehmens, der Höhe des längerfristigen Umsatzes und des Gewinns sind vor allem die Bedeutung des Repräsentationsaufwands für den Geschäftserfolg nach der Art der ausgeübten Tätigkeit und seine Üblichkeit in vergleichbaren Betrieben als Beurteilungskriterien heranzuziehen. Die Aufwendungen können auch dann „unangemessen” im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG sein, wenn sie bezogen nur auf hohe Umsätze und Gewinne des Steuerpflichtigen nicht unangemessen wären.
4. Verfügt der Steuerpflichtige über weitere Luxusfahrzeuge im Privatvermögen, ist von einem allgemeinen, auch privaten Interesse des Steuerpflichtigen an hochpreisigen Luxus-Kfz auszugehen. Auch wenn der Lamborghini für Werbezwecke und für die Repräsentation geleast und mit einer Werbefolie ausgeliefert worden ist, spricht es für ein nicht unerhebliches privates Interesse an der Beschaffung, wenn der herausragende Geschäftserfolg des Sachverständigen in erster Linie auf seiner Qualifikation und seinen behördlichen Ernennungen und nicht auf von ihm genutzten Fahrzeuge beruht und wenn er die betrieblichen Fahrten weit überwiegend mit dem zweiten betrieblichen Fahrzeug (hier: BMW 740d) zurückgelegt hat (im Streitfall: gerichtliche Billigung der vom Finanzamt nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EstG vorgenommenen Kürzung von 2/3 der Leasing-Aufwendungen für den Lamborghini).
5. Beim Ausschank von Alkohol im Rahmen von Besprechungen oder Vertragsabschlüssen handelt es sich nicht um geringfügige Aufmerksamkeiten, sondern um Bewirtungskosten im Sinne von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG. „Bewirtung” im Sinne dieser Regelung ist jede Darreichung von Speisen, Getränken oder sonstigen Genussmitteln zum sofortigen Verzehr. Es kommt nicht darauf an, ob die Beköstigung der bewirteten Person im Vordergrund steht oder die Bewirtung (aus der Sicht des Bewirtenden) auch bzw. in erster Linie der Werbung oder der Repräsentation dient. Der Abzugsbeschränkung unterfallen alle Aufwendungen, bei denen ein sachlicher Zusammenhang mit der Bewirtung (Darreichung von Speisen und Getränken) besteht. Dies kann sachlich mit der Bewirtung im Zusammenhang stehende Aufwendungen für Service, Dekoration, Musik etc. einschließen.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nrn. 2, 7, § 6 Abs. 1 Nr. 4 Sätze 1-3
Tenor
1. Dem Beklagten wird aufgegeben, den Einkommensteuerbescheid 2012 vom 25. Januar 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Januar 2018 dergestalt abzuändern, dass bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit weitere Betriebsausgaben in Höhe von 10.400 EUR berücksichtigt werden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zu 93%, der Beklagte zu 7%.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Der Kläger...