rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung des Betriebsübernehmers

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei der Übereignung eines Unternehmens im Ganzen haftet der Erwerber gemäß § 75 AO für Steuern, bei denen sich die Steuerpflicht auf den Betrieb des Unternehmers gründet, vorausgesetzt, dass es sich bei dem übertragenen Betrieb um ein lebendes Unternehmen handelt, das in der bisherigen Art ohne nennenswerte zusätzliche Aufwendungen fortgeführt werden kann.

 

Normenkette

AO §§ 191, 75

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob die Klägerin zu Recht für Steuerschulden des Herrn H. L. in Anspruch genommen worden ist.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die am 28. April 1999 von Herrn A. L. mit einem Kapitalanteil von 24.750 EUR und Frau B. L. mit einer übernommenen Stammeinlage von 250 EUR gegründet wurde. Unternehmensgegenstand ist der Verkauf von Fleischund Wurstwaren und sonstigen Lebensmittel. Alleinvertretungsberechtigter Gesellschafter ist Herr A. L.

Der am 11. Juli 1999 begonnene Betrieb eines Metzgereifachgeschäfts in M wurde am 14. Juli 1999 bei der Gemeinde angemeldet. Dabei wurde als früherer Betriebsinhaber Herr H. L. angegeben.

Herr H. L., Vater von Herrn A. L. und Ehegatte von Frau B. L., betrieb seit 1994 in R eine Metzgerei und in M ein Metzgereifachgeschäft. Der Betrieb in Rl wurde zum 20. April 1999 und der Betrieb in M am 10. Juli 1999 als aufgegeben abgemeldet. Bezüglich des Geschäfts in M wurde der Gemeinde von Herrn H. L. mitgeteilt, dass es von der Klägerin fortgeführt werde, an die es gegen Übernahme von Schulden in Höhe von 20.000 DM veräußert worden sei. Am 11. Juli 1999 erfolgte die Gewerbeanmeldung durch die Klägerin.

Nach den Erkenntnissen der Vollstreckungsstelle des Finanzamts (FA) war über das Vermögen von Herrn H. L. bereits im Jahr 1998 die Eröffnung des Konkursverfahrens abgelehnt worden. Am 2. Februar und 2. September 1999 habe er beim zuständigen Amtsgericht die eidesstattliche Versicherung abgegeben. Mit Beschluss vom 17. April 2003 sei auf eigenen Antrag das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet worden. Vollstreckungsmaßnahmen des FA verliefen erfolglos.

Im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen für eine Haftung wegen Betriebsübernahme bat das FA die Klägerin erfolglos um Darstellung des von Herrn H. L. übernommenen Anlagevermögens, die Vorlage des Pachtvertrages über die Ladenräume in M sowie die Vereinbarungen mit den Hauptzulieferbetrieben der Metzgerei.

Mit Bescheid vom 25. Januar 2000 wurde die Klägerin daraufhin für rückständige Lohn- und Umsatzsteuer des Herrn H. L. aus den Jahren 1998 und 1999 in Höhe von 62.490,97 DM in Haftung genommen.

Dem dagegen erhobenen Einspruch wurde mit Entscheidung vom 10. November 2003 hinsichtlich der Haftung für Steuerrückstände resultierend aus dem Betrieb in R stattgegeben. Hinsichtlich der Haftung für Steuerschulden aus dem Betrieb in Mn hielt das FA seine Entscheidung aufrecht.

Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben. Sie macht geltend, dass der Weiterführung des Geschäfts in M keine Betriebsübernahme zugrunde liege, da kein Übergang der wesentlichen Betriebsgrundlagen erfolgt sei. So seien im Jahr 1999 zwei PKW, ein Kühlanhänger, Lampen und ein Tischkutter im Wert von 64.802,45 DM neu angeschafft worden. Gegenstände der Ladeneinrichtung wie Regale, Waagen, Schränke und Theken im Wert von 46.957,37 DM hätten nicht von Herrn H. L., sondern von dritter Seite übereignet werden können. Aufgrund seiner Zahlungsunfähigkeit sei der Sicherungsfall für die im Wege des Vorbehaltskaufs erworbene Ladeneinrichtung eingetreten. Eine Haftung komme deshalb nicht in Betracht.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Haftungsbescheid vom 21. Januar 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. November 2003 aufzuheben.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist es auf die Einspruchsentscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten, die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen. Insbesondere wird auf die Aufklärungsanordnung des Finanzgerichts vom 1. August und 11. September 2006 hingewiesen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Klage ist unbegründet, das FA hat die Klägerin zu Recht in Haftung genommen.

1. Gemäß § 191 Abs. 1 der Abgabenordnung 1977 (AO) kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet. Bei der Übereignung eines Unternehmens im Ganzen haftet der Erwerber gemäß § 75 AO für Steuern, bei denen sich die Steuerpflicht auf den Betrieb des Unternehmers gründet, vorausgesetzt, dass die Steuern seit Beginn des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres entstanden sind und bis zum Ablauf von einem Jahr nach Anmeldung des Betriebes durch den Erwerber festgesetzt oder angemeldet werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ...

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