Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuflusszeitpunkt geldwerter Vorteile bei im Rahmen von Darlehensverträgen vereinbarten Aktienoptionen. Änderung wegen neuer Tatsachen bei Verletzung der Ermittlungspflicht. Einkommensteuer 1999. Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer 1999
Leitsatz (redaktionell)
1. Räumt ein Arbeitgeber in Zusammenhang mit der Gewährung eines niedrig verzinslichen Darlehens ein nicht handelbares Recht zur Wandelung des Darlehens in Aktien ein, fließt der geldwerte Vorteil im Unterschied zu Wandelschuldverschreibungen erst durch Ausübung des Optionsrechts zu.
2. Das FA kann einen Steuerbescheid wegen neuer Tatsachen auch bei unterbliebenen Ermittlungsmaßnahmen nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 ändern, wenn der Steuerpflichtige nachweisbar bei der Erteilung eines eigentlich weitere Ermittlungen erfordernden Hinweises gezielt mit der bei einer Massenverwaltung unvermeidlichen Unachtsamkeit des FA kalkuliert.
Normenkette
EStG § 11 Abs. 1 S. 1, § 19a Abs. 2 S. 8; AO 1977 § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, §§ 88, 90; EStG § 8
Nachgehend
Tenor
1. Der ESt-Bescheid 1999 vom 16.03.2001 in Gestalt der EE vom 09.04.2002 wird dahingehend abgeändert, dass die ESt auf 2.397.462 DM = 1.225.802,86 EUR herabgesetzt wird.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger zu 95,5 % und der Beklagte zu 4,5 %.
3. Soweit der Beklagte die Kosten trägt, ist das Urteil für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstatteten Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in der selben Höhe leisten.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger werden als Ehegatten zur Einkommensteuer (ESt) zusammen veranlagt.
Strittig ist, ob der Beklagte, das Finanzamt – FA –, bei der ESt-Veranlagung 1999 zu Recht einen geldwerten Vorteil i. H. von 4.578.095 DM bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit erfasste.
Die Klägerin war 1999 bei der Firma … Aktiengesellschaft (AG) als PR-Assistentin beschäftigt. Am 29.10.1999 machte sie von ihrem Wandelungsrecht aus einem am 20.10.1997 mit ihrem Arbeitgeber abgeschlossenen Darlehensvertrag Gebrauch. In diesem Vertrag hatte die Klägerin als Darlehensgeberin der AG als Darlehensnehmerin ein als Wandeldarlehen bezeichnetes Darlehen über 10.000 DM gewährt. Das mit 2 % verzinsliche Darlehen war mit einem Wandelungsrecht ausgestattet. Hiernach war die Klägerin berechtigt, erstmalig am 28.10.1999 für maximal 50 % der Darlehenssumme Darlehensteilbeträge von je 5 DM in Aktien der AG im Nennbetrag von je 5 DM zu wandeln.
Das Wandeldarlehen beruhte nach dem Geschäftsbericht der AG für 1997 auf einem Beschluss der Hauptversammlung vom 17.09.1997, der den Vorstand der AG ermächtigte, Wandelschuldverschreibungen i. H. von 750.000 DM auszugeben und diese dem Vorstand und Aufsichtsrat der Gesellschaft und allen Arbeitnehmern der Gesellschaft sowie mit ihr verbundener Unternehmen, einschließlich der Geschäftsführer dieser Unternehmen im Wege des mittelbaren Bezugsrechts anzubieten. Am 10.10.1997 hat der Vorstand in Durchführung dieses Beschlusses die Ausgabe von Inhaber-Wandelschuldverschreibungen im Gesamtbetrag von 620.000 DM an die vorstehend genannten berechtigten Personen beschlossen.
Die Beschlüsse wurden im zeitlichen Zusammenhang mit dem Börsengang der AG gefasst, deren erste Notierung am „neuen Markt” zum 30.10.1997 erfolgte.
Die am 19.01.1999 beim FA eingegangene ESt-Erklärung 1997 der Kläger enthielt keine Hinweise auf den Darlehensvertrag.
Nachdem das FA mit Bescheid vom 16.02.1999 die ESt der Kläger für 1997 erklärungsgemäß festgesetzt hatte, zeigte die Klägerin mit Schreiben vom 14.05.1999 „gemäß § 153 AO” an, die von ihr abgegebene Erklärung 1997 sei unvollständig gewesen. Sie habe von der Zeichnung eines Wandeldarlehens Gebrauch gemacht. Der Vorstand der AG habe ihr mit Schreiben vom 07.05.1999 mitgeteilt, sie habe mit der Zeichnung des Darlehens einen steuerpflichtigen Arbeitslohn i. H. von 13.473 DM erzielt. Basis hierfür sei eine Berechnung der … (Z-Bank). Darlehens vertrag, Anschreiben vom 07.05.1999 und Berechnung der Z-Bank vom 27.04.1999, auf die sämtlich Bezug genommen wird, waren als Anlage beigefügt.
Das FA änderte daraufhin mit Bescheid vom 01.07.1999 den ESt-Bescheid 1997 gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) und erfasste bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit zusätzlich den nacherklärten geldwerten Vorteil der Klägerin i. H. von 13.473 DM.
Ihrer am 31.01.2000 beim FA eingegangen ESt-Erklärung 1999 fügten die Kläger eine Anlage KSO bei, in der sie Einkünfte aus Wandelanleihen i.H. von 405 DM erklärten und auf eine Anlage verwiesen. Im anliegenden Begleitschreiben erklärten sie: „Ergänzend zu der Anlage KSO möchten wir ihnen mitteilen, dass aus den 1999 aus Wandeldarlehen bezogenen …-Aktien noch keine Dividenden zugeflossen sind.” D...