rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstmalige Verlustfeststellung. fehlende Auswirkung auf die Höhe der Einkommensteuer. Änderbarkeit des Einkommensteuerbescheids. Wahlrechtsausübung nach Teilbestandskraft
Leitsatz (redaktionell)
1. Nacherklärte Verluste, die sich wegen der Verlustverrechnungsbeschränkung des § 23 Abs. 3 Satz 8 EStG nicht auf die Höhe der festgesetzten Einkommensteuer auswirken, können nach § 10d Abs. 4 Satz 5 EStG nur festgestellt werden, wenn der Einkommensteuerbescheid noch änderbar ist.
2. Maßgebliche Tatsache für die Anwendung des § 173 Abs. 1 AO ist der Saldo aller nacherklärten Gewinne und Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften, wenn derartige sonstige Einkünfte bisher nicht bei der Veranlagung berücksichtigt waren.
3. Ein Zusammenhang im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 AO von Verlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften mit einer steuererhöhenden Tatsache besteht nicht, wenn zeitgleich weitere Einnahmen und Ausgaben bei Einkünften aus Kapitalvermögen nacherklärt werden. Grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden der Verluste kann daher nicht nach dieser Vorschrift unbeachtlich sein.
4. Im Rechtsbehelfsverfahren gegen einen bestandskräftigen, nach einer Korrekturvorschrift geänderten Einkommensteuerbescheid kann ein Wahlrecht nur in den Grenzen der § 351 Abs. 1, § 177 Abs. 1 AO ausgeübt werden.
Normenkette
EStG § 23 Abs. 3 S. 8, § 10d Abs. 4 Sätze 4-5; AO § 173 Abs. 1, § 351 Abs. 1, § 177 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist die Berücksichtigung von nacherklärten Verlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften.
Die Kläger wurden in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
In ihren Einkommensteuererklärungen für 2007 und 2008, eingegangen am 14. Juli 2008 und 4. August 2009 (Frühleerung), strichen die Kläger alle Kästchen zu privaten Veräußerungsgeschäften „lt. Anlage SO”, „wurden nicht getätigt”, „führten zu einem Gewinn von weniger als 512 bzw. 600 EUR”) durch. Anlagen SO reichten die Kläger nicht ein.
Das beklagte Finanzamt (FA) setzte die Einkommensteuer für 2007 auf 1.766 EUR (Bescheid vom 4. August 2008) und für 2008 auf 2.156 EUR (Bescheid vom 19. Oktober 2009) fest.
Mit Schreiben vom 23. Dezember 2014 reichten die Kläger Nacherklärungen u. a. betreffend Einkommensteuer 2007 und 2008 ein. Sie erklärten u. a. weitere Einnahmen und Werbungskosten bei Einkünften der Klägerin aus Kapitalvermögen sowie Verluste der Klägerin aus privaten Veräußerungsgeschäften gem. § 23 Einkommensteuergesetz in der für die Streitjahre geltenden Fassung (EStG) aufgrund von X-Bank getätigter Wertpapiergeschäfte in Höhe von 1.259 EUR in 2007 und 18.008 EUR in 2008 nach.
Zum Ende des Jahres 2006 gibt es keine Verlustfeststellung.
Mit gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) geänderten Bescheiden vom 5. Juni 2015 setzte das FA die Einkommensteuer auf 2.373 EUR für 2007 und 2.555 EUR für 2008 fest. Dabei berücksichtigte das FA höhere Einkünfte der Klägerin aus Kapitalvermögen. In den Erläuterungen zur Festsetzung führte das FA u. a. aus, Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften seien wegen groben Verschuldens am nachträglichen Bekanntwerden nicht zu berücksichtigen.
Dagegen legten die Kläger Einsprüche ein und begehrten u. a., verbleibende Verlustvorträge zum Ende des Jahres 2007 und 2008 mit Verlusten aus Wertpapiergeschäften gem. § 23 Abs. 3 Satz 8 Halbsatz 2 EStG in Höhe von 1.494 EUR aus 2006, 1.259 EUR aus 2007 und 18.008 EUR aus 2008 festzustellen. Zur Begründung trugen sie u. a. vor, dass die Klägerin als steuerliche Laiin kein grobes Verschulden i. S. d. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO treffe, soweit sie die Verluste aus Wertpapiergeschäften nicht laufend erklärt habe. Die Klägerin habe von X-Bank nicht wie üblich nach dem jeweiligen Jahr Ertragsaufstellungen bekommen, sondern erstmals 2013 nach ausdrücklicher Aufforderung. Bei Durchsicht der ihr von der Bank vorgelegten Unterlagen zur Entwicklung des Kapitalvermögens, der erzielten Erträge u. Ä. sei die Klägerin zu dem Ergebnis gekommen, dass abzüglich der relativ hohen Bankgebühren kaum Erträge angefallen seien, denen per Saldo in etwa gleich hohe Veräußerungsverluste aus von der Bank durchgeführten Wertpapiergeschäften gegenübergestanden hätten. Die Summierung der positiven und negativen, bzgl. Kosten und Umschichtungsergebnissen saldierten Kapitalerträge i. w. S. ergebe für die relevante Zeit, dass sich das Kapitalvermögen negativ entwickelt habe.
Mit Schreiben vom 4. Mai 2016 teilte das FA den Klägern ohne Rechtsbehelfsbelehrung u. a. mit, dass der Erlass von Verlustfeststellungen für 2007 und 2008 nicht erfolgen könne.
Mit Schreiben vom 18. Juli 2016 baten die Kläger darum, den 2005 angefallenen Reparaturaufwand bei Vermietungseinkünften in Höhe von 11.644 EUR auf vier Jahre zu verteilen.
Mit Faxen vom 16. September 2016 wandten sie sich gegen die ...