rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts einer Postfiliale für Zwecke der Erbschaftsteuer. Verkehrswertnachweis durch Gutachten. „Overrent”-Effekt im Ertragswertverfahren
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach § 146 Abs. 7 BewG ist ein niedrigerer Grundstückswert zwingend dann festzustellen, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass der gemeine Wert des Grundstücks niedriger als der nach § 146 Abs. 2-6 BewG typisierend ermittelte Wert ist. Bei der Nachweisoption handelt es sich um eine spezielle Beweislastregel, die den allgemeinen Regeln des finanzgerichtlichen Verfahrensrechts vorgeht.
2. Der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Wertes kann regelmäßig nur durch ein Gutachten des örtlich zuständigen Gutachterausschusses oder eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken geführt werden.
3. Ein Sachverständigengutachten kann nur dann als Nachweis eines niedrigeren Verkehrswerts i. S. d. § 146 Abs. 7 BewG dienen, wenn der hierin gefundene Wert in jeder Hinsicht nachvollziehbar und hinsichtlich seiner Berechnungsgrundlagen den wissenschaftlichen Anforderungen genügend transparent ist.
4. Ein als Niederlassung der Deutschen Post genutztes Gebäude ist nach dem Ertragswertverfahren zu bewerten.
5. Ist eine Immobilie langfristig und überdurchschnittlich rentabel an einen Nutzer mit guter Bonität vermietet, so hat dies durchaus Einfluss auf den Ertragswert des Vermietungsobjekts. Es handelt sich hierbei um einen so genannten „Overrent”-Effekt.
Normenkette
ErbStG § 12 Abs. 3; BewG §§ 19, 138 Abs. 5 S. 1, § 146 Abs. 1, 7
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
3. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe des zum Zweck der Festsetzung der Erbschaftsteuer gesondert festgestellten Grundbesitzwerts einer zu gewerblichen Zwecken vermieteten Immobilie.
Der Kläger und seine am … verstorbene Ehefrau lebten aufgrund des notariellen Ehe- und Erbvertrags vom … im ehelichen Güterstand der Gütergemeinschaft. Zum Gesamtgut gehörte im Zeitpunkt des Ablebens der Ehefrau des Klägers u.a. ein Miteigentumsanteil von 349,15/1000 an dem bebauten Grundstück in A mit der Flurstücknummer … der Gemarkung A. Mit Vertrag vom 19. April 1974 hatte der Kläger das auch seinerzeit selbst neu erstellte Gewerbeobjekt … befristet für einen Zeitraum von 20 Jahren ab dem Zeitpunkt der „bezugsfertigen Übergabe” im Jahr 1976 an die Deutsche Bundespost vermietet. Der vereinbarte monatliche Mietzins betrug ursprünglich 10.000 DM, unterlag jedoch vertraglich einer am Preisindex der Lebenshaltungskosten orientierten Dynamisierung. Mit Änderungsvertrag vom 9. Oktober 1990 vereinbarte der Kläger mit der Deutschen Bundespost anlässlich eines von ihm in Höhe von 80.000 DM finanzierten Umbaus (d.h. Einbau von Automatiktüren in der Postfiliale) zum einen eine Mieterhöhung und zum anderen die Verlängerung der Laufzeit des Mietverhältnisses um 10 Jahre bis zum 31. Januar 2006. Im Zeitpunkt des Ablebens der Ehefrau des Klägers galt entsprechend dem Änderungsvertrag vom 26. Juli 1994 ein monatlicher Mietzins von 14.948,63 DM. Mit dem Tod seiner Ehefrau und der hierdurch bedingten Auflösung der Gütergemeinschaft erwarb der Kläger als ihr Alleinerbe deren Anteil an dem o.g. Grundvermögen. Zum Zweck der Festsetzung der Erbschaftsteuer gegen den Kläger durch das Finanzamt … stellte der Beklagte mit Bescheid vom 6. Juli 1999 für die bezeichnete Immobilie als wirtschaftliche Einheit zum Stichtag … einen Grundbesitzwert in Höhe von insgesamt 1.940.000 DM gesondert fest. Dem Kläger wurde die Hälfte des Grundbesitzwerts für erbschaftsteuerliche Zwecke zugerechnet. Im Einzelnen berechnete der Beklagte den Grundbesitzwert wie folgt (in DM):
Summe der Pacht (1.03.1993-29.02.1996) |
517.396 |
Durchschnitts-Jahrespacht |
172.465 |
Jahrespacht × Vervielfältiger 12,5 |
2.155.812 |
Abzügl. Alterswertminderung (20 Jahre × 0,5%/Jahr) |
./. 215.581 |
Ausgangswert |
1.940.231 |
Grundbesitzwert (abgerundet auf volle Tausend) |
1.940.000 |
für erbschaftsteuerl. Zwecke zugerechneter Anteil 50% |
970.000 |
Gegen den Feststellungsbescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 26. Juli 1999 Einspruch ein. Zur Begründung seines Einspruchs machte der Kläger unter Vorlage eines Gutachtens des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen der IHK … für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken … vom 30. Juli 2001 geltend, dass der gemeine Wert der Immobilie den seitens des Beklagten festgestellten Grundbesitzwert erheblich unterschreite und sich lediglich auf 840.000 DM beliefe. Im Hinblick auf die wegen weiterer Grundstücke anhängigen finanzbehördlichen Verfahren verzögerte sich das vorliegende Einspruchsverfahren. Da der Beklagte gegen die Richtigkeit des Gutachtens etliche Einwendungen erhoben hatte, legte der Kläger ein korrigiertes Gutachten des o.g. Sachverständigen vom 1. März 2007 vor. Hierin kam der Sachverständige nun...