rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeldbescheid. Korrektur bestandskräftiger Bescheide
Leitsatz (redaktionell)
1. § 70 Abs. 2 und Abs. 3 EStG sind nicht auf Bescheide anwendbar, mit denen eine Kindergeldfestsetzung abgelehnt wurde.
2. § 70 Abs. 4 EStG ist nur auf Prognoseentscheidungen und nicht auf abschließende Entscheidungen nach Ablauf des Kalenderjahres anwendbar.
3. Ein Kindergeldbescheid darf wegen nachträglich bekannt gewordener Tatsachen oder Beweismittel zu Gunsten des Kindergeldberechtigen nicht nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO aufgehoben oder geändert werden, wenn die Familienkasse bei ursprünglicher Kenntnis der Tatsachen oder Beweismittel nicht anders entschieden hätte.
4. Die durch eine Entscheidung des BVerfG eingetretene andere rechtliche Beurteilung eines unveränderten Sachverhalts beinhaltet kein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO
Normenkette
AO § 173 Abs. 1 Nr. 2, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 355 Abs. 1; EStG § 70 Abs. 2, 4
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Änderung eines die Kindergeldfestsetzung ablehnenden Bescheides wegen Bestandskraft ausgeschlossen ist.
I.
Die Klägerin (Klin) ist die Mutter des am ….1985 geborenen R. Mit Schreiben vom 30.11.2004 beantragte die Klin für R Kindergeld. Die Beklagte (Familienkasse –FK–) forderte zur Berechnung der eigenen Einkünfte des R weitere Nachweise an. Mangels Vorlage der angeforderten Nachweise lehnte die FK die Kindergeldfestsetzung mit Bescheid vom 25.01.2005 ab Juni 2003 ab.
Mit Schreiben vom 16.02.2006 beantragte die Klin Kindergeld für das Jahr 2004 und legte den Einkommensteuerbescheid des R für 2004 vor. Die FK forderte die Vorlage einer Bescheinigung über die Beendigung der Berufsausbildung an. Mit Bescheid vom 11.04.2006 lehnte die FK die Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum Juni 2003 bis Januar 2005 (Bekanntgabe des Bescheids vom 25.01.2005) wegen Bestandskraft des Bescheids vom 25.01.2005 ab und gewährte Kindergeld ab Februar 2005. Den hiergegen fristgerecht eingelegten Einspruch wies die FK mit Einspruchsentscheidung vom 14.06.2006 als unbegründet zurück.
Hiergegen richtet sich die fristgerecht eingereichte Klage. Zu deren Begründung wird im Wesentlichen Folgendes geltend gemacht: Der Neuantrag vom 16.02.2006 sei –da die Klin nicht durch eine rechtskundige Person beraten gewesen sei– als innerhalb der Einspruchsfrist eingelegter Einspruch zu werten. Die FK habe auf dieses Schreiben weitere Unterlagen angefordert und damit kundgetan, dass sie das Schreiben als Einspruch werte.
Die Klin beantragt sinngemäß,
die FK unter Aufhebung des Bescheids vom 25.01.2005 und der Einspruchsentscheidung vom 14.06.2006 zu verpflichten, für den Zeitraum Januar 2004 bis Dezember 2004 Kindergeld festzusetzen.
Die FK beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie darauf, dass die Kindergeldfestsetzung für 2004 bereits bestandskräftig abgelehnt worden sei, da innerhalb der Einspruchsfrist kein Einspruch erfolgt sei. Zudem lägen auch die Voraussetzungen einer Änderungsvorschrift nicht vor.
Der Senat hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 07. März 2007 dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen (§ 6 Finanzgerichtsordnung – FGO –). Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet das Gericht ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).
Entscheidungsgründe
II.
1. Die Klage ist unbegründet. Eine Änderung der ablehnenden Entscheidung der FK ist ausgeschlossen, da weder innerhalb der Rechtsbehelfsfrist Einspruch eingelegt wurde noch die Voraussetzungen einer Korrekturnorm vorliegen.
a) Die Klage gegen den Ablehnungsbescheid vom 25.01.2005 ist unbegründet, da dieser vor Klageeinreichung bereits bestandskräftig geworden ist. Der mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehene Bescheid wurde nicht innerhalb der Rechtsbehelfsfrist des § 355 Abs. 1 S. 1 Abgabenordnung (AO) mit einem Einspruch angefochten. Der durch die Post übermittelte Bescheid gilt gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO als am 28.01.2005 bekannt gegeben. Die Einspruchsfrist endete gemäß §§ 355 Abs. 1, 188 Abs. 1 AO, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch am 28.02.2005. Das Schreiben der Klin ging dagegen erst am 21.02.2006 bei der Beklagten ein. Wiedereinsetzungsgründe im Sinne des § 110 AO wurden weder geltend gemacht noch sind sie anderweitig ersichtlich. Ist ein Verwaltungsakt bestandskräftig, ist die Klage schon aus diesem Grund ohne weitere Sachprüfung als unbegründet abzuweisen (Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 20. September 1989 X R 8/86, BFHE 158, 205, BStBl. II 1990, 177).
Der Bescheid ist damit bindend geworden. Die Bindungswirkung erstreckt sich auch auf den hier streitigen Zeitraum Januar bis Dezember 2004. Denn die Bindungswirkung eines die Kindergeldfestsetzung ablehnenden Bescheid erstreckt sich auf die Zeit bis zum Ende des Monats, in dem die letzte Verwaltungsentscheidung bekannt gegeben wurde; mithin ist vorliegend Bindungswirkung für den Zeitraum vom...