Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine offenbare Unrichtigkeit, falls nicht steuerbare Kapitalzuflüsse als steuerpflichtige Einnahmen behandelt werden

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird vom Veranlagungsfinanzamt eines Kapitalgesellschafters die Vorlage einer Steuerbescheinigung gem. §§ 44 KStG, 45a Abs. 2 EStG, in der unter den steuerpflichtigen Kapitalerträgen fälschlicherweise auch nicht steuerbare Kapitalrückführungen i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG ausgewiesen sind, zum Anlass einer Berichtigung der Einkommensteuerveranlagung zu Lasten des Gesellschafters genommen, kann der Fehler im bestandskräftig gewordenen Änderungsbescheid nicht nach § 129 AO korrigiert werden.

2. Ist im Änderungsbescheid auf das Schreiben Bezug genommen, mit dem die Steuerbescheinigung eingereicht wurde, reicht dies zum Verständnis des Änderungsbescheides aus. Das Unterlassen zusätzlicher Erläuterungen ist nicht ursächlich i. S. des § 126 Abs. 3 AO für die Säumnis der Einspruchsfrist. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand scheitert am Verschulden des steuerlichen Beraters.

 

Normenkette

AO § 129; EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 1, 3, § 45a Abs. 2; KStG §§ 44, 30 Abs. 2 Nr. 4; AO §§ 125, 110, 126 Abs. 3, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 121 Abs. 2 Nr. 2

 

Gründe

I.

Die Kläger (Kl) sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Im Streitjahr 1992 war der Kl Gesellschafter der X GmbH (im Folgenden GmbH). Am 5.3.1992 beschlossen die Gesellschafter eine Gewinnausschüttung für das Jahr 1990 in Höhe von 220.000 DM. Hiervon entfiel auf den Kl ein Anteil (37,5 %) in Höhe von 82.500 DM. Dieser Betrag entsprach einer Steuerbescheinigung der GmbH vom 15.11.1991, die dem Beklagten (Finanzamt -FA-) zusammen mit der Einkommensteuererklärung 1992 eingereicht wurde. Am 7.12.1992 beschlossen die Gesellschafter der GmbH eine Gewinnausschüttung für das Jahr 1991, ebenfalls in Höhe von 220.000 DM. In der Einkommensteuererklärung 1992 war dieser Ausschüttungsbetrag nicht deklariert worden.

Im Einkommensteuerbescheid 1992 vom 26.10.1993 (Einkommensteuer: 101.650 DM) wurde die bezahlte und in der Steuerbescheinigung vom 15.11.1991 ausgewiesene Kapitalertragsteuer (20.625 DM) sowie die auf den Ausschüttungsbetrag entfallende Körperschaftsteuer (82.500 DM × 9/16 = 46.407 DM) auf die Steuerschuld angerechnet.

Im Jahr 1994 wurde die GmbH vom Finanzamt F einer Außenprüfung unterzogen (Prüfungsbericht vom 29.2.1995, Prüfungszeitraum: 1989–1992). Hierbei wurde festgestellt und dem FA (nach mehrmaligen Berichtigungen) mitgeteilt, dass die Gewinnausschüttungen zum großen Teil nicht steuerbar waren, weil insoweit eine Eigenkapitalrückzahlung aus dem Ek 04 (Minderung der Anschaffungskosten der GmbH-Anteile) vorlag. Der auf den Kl entfallende Anteil an den beiden Gewinnausschüttungen wurde von der Außenprüfung wie folgt errechnet:

DM

Gesamte Gewinnausschüttung

440.000

./. Eigenkapitalrückzahlung aus Ek 04

431.151

8.849

Anteil des Kl (37,5 %)

3.318

+ anrechenbare Körperschaftsteuer (9/16)

1.866

steuerpflichtige Einnahmen

5.184

Nach Hinzurechnung erklärter Zinsen (1.510 DM) wurde dem Kl im Einkommensteuerbescheid vom 10.4.1996 Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von 6.694 DM zugerechnet. In den Erläuterungen des Bescheides wurde die vorgenannte Berechnung der Kapitaleinkünfte als Folge der Betriebsprüfung bei der GmbH bezeichnet. Angerechnet wurde in diesem Bescheid lediglich noch die Körperschaftsteuer in Höhe von 1.866 DM. Die Anrechnung der abgeführten Kapitalertragsteuer unterblieb.

Aus einer Kontrollmitteilung des Finanzamtes K vom 1.7.1997 (ESt-Akte 1992, Bl 50) ergibt sich, dass die GmbH auch die auf den Anteil des Kl an der Gewinnausschüttung vom 7.12.1992 entfallende Kapitalertragsteuer (20.625 DM) abgeführt hatte. Trotz der Feststellung, dass nahezu der gesamte Ausschüttungsbetrag (95,8 %) nicht kapitalertragsteuerpflichtig war, unterblieb eine Erstattung der abgeführten Kapitalertragsteuer mit der Begründung, dass diese vom FA anschließend wieder zurückzufordern wäre.

Mit Einkommensteuerbescheid vom 18.2.1998 wurde die Einkommensteuer 1992 nach Verrechnung eines Verlustrücktrags aus dem Jahr 1994 in Höhe von 189.946 DM auf 0 DM herabgesetzt. Dieser Rücktrag stammt zum Teil aus einem die GmbH betreffenden Veräußerungsverlust.

Mit Schreiben vom 10.6.1998 übersandte der steuerliche Vertreter der Kl (und jetzige Prozessbevollmächtigte) die vom FA mit Schreiben vom 15.5.1995 angeforderte berichtigte Steuerbescheinigung der GmbH vom 22.4.1998 (ESt-Akte 1992, Bl 61), die er von der steuerlichen Beraterin der GmbH zugesandt bekommen hatte. In dieser Bescheinigung ist abweichend vom Vordruck ausgeführt, dass in den angegeben steuerpflichtigen Einnahmen des Kl in Höhe von 165.000 DM (nicht steuerbare) Leistungen aus dem Ek 04 in Höhe von 161.710 DM enthalten seien. Ferner ist die darauf entfallende und abgeführte Kapitalertragsteuer (41.250 DM) sowie der abgeführte Solidaritätszuschlag zur Kapitalertragsteuer (1.546,88 DM) genannt. Hinsichtlich der Einzelheiten wir...

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