rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflegepauschbetrag bei bloßer Wochenendbetreuung. Einkommensteuer 1993
Leitsatz (amtlich)
Der Gewährung eines Pflegepauschbetrag steht die Vorschrift des § 33b Abs. 6 Satz 2 EStG i.d. vor dem JStG 1996 geltenden Fassung nicht entgegen, wenn der Pflegebedürftige ganzjährig in einem Pflegeheim lebt und die nur zeitweise stattfindende häusliche Pflege (hier: jeweils an den Wochenenden) keine finanzielle Entlastung der Dritthilfe bewirkt. Die häuslichen Pflegemaßnahmen müssen jedoch einen nicht nur geringfügigen Zeitaufwand –mindestens 10 v.H. des gesamten pflegerischen Zeitaufwands– einnehmen.
Normenkette
EStG 1990 § 33b Abs. 6 S. 2
Tenor
1. in Änderung des Einkommensteuer-Bescheids 1993 vom 01. Juni 1994 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Juli 1994 wird die Einkommensteuer 1993 auf 4.430 DM herabgesetzt
2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, sei denn die Kläger leisten vor Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe.
4. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Kläger (Kl) sind im Streitjahr 1993 zur Einkommensteuer (ESt) zusammenveranlagte Ehegatten. Ihr gemeinsamer Sohn … erfüllt die Voraussetzungen des § 33 b Abs. 3 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Er lebt ganzjährig in einem Pflegeheim in …. In ihrer ESt-Erklärung für das Streitjahr machten die Kl u.a. Aufwendungen in Höhe von DM (50 km × 1,04 DM × 48) für Fahrten zu ihrem Sohn ins Pflegeheim als außergewöhnliche Belastung geltend. Der Beklagte (das Finanzamt – FA–) berücksichtigte hiervon im ESt-Bescheid 1993 vom l. Juni 1994 lediglich DM (3.000 km × 0,52 DM). Im hiergegen durchgeführten Einspruchsverfahren beantragten die Kl, den Pflegepauschbetrag nach § 33 b Abs. 6 EStG in Höhe von DM zu gewähren. Sie hätten ihren Sohn jedes Wochenende aus dem Pflegeheim geholt und in ihrer Wohnung betreut. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. in der Einspruchsentscheidung (EE) vom 19. Juli 1994 führte das FA im wesentlichen aus, daß die Wochenendaufenthalte des Sohnes in der elterlichen Wohnung keine Entlastung der Dritthilfe darstellten. Der Zweck des § 33 b Abs. 6 EStG, durch Anreize zur häuslichen Pflege die Krankenkassen zu entlasten, sei daher im Streitfall nicht erfüllt.
Mit der vorliegenden Klage begehren die Kl weiterhin den Ansatz des Pflegepauschbetrages. Die Kl hätten ihren Sohn an jedem Wochenende, d.h. an 104 Tagen im Jahr, pflegerisch betreut. Die häusliche Pflege sei daher im Verhältnis zur Heimpflege nicht nur von untergeordneter Bedeutung. Auch wenn durch die Einführung des § 33 b Abs. 6 EStG auch eine Entlastung der Krankenkassen bewirkt werden sollte, so könne dies nicht der einzige
Zweck des „persönlichen Freibetrages” sein. Vielmehr solle derjenige Steuerpflichtige begünstigt werden, der zwangsläufig aufgrund einer sittlichen, tatsächlichen oder rechtlichen Verpflichtung stärker belastet ist als andere Steuerpflichtige. Wegen der ebenfalls 100 %-igen Behinderung des Kl zu 1. könnten die Kl ihren Sohn nicht vollzeitlich betreuen. Dies dürfe Ihnen nicht negativ angelastet werden.
Die Kl beantragen,
- in Änderung der angefochtenen Entscheidungen den Pflegepauschbetrag nach § 33 b Abs. 6 EStG in Höhe von 1.800 DM als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen und die ESt 1993 entsprechend herabzusetzen,
- hilfsweise, die Revision zum Bundesfinanzhof zuzulassen.
Das FA beantragt
- Klageabweisung,
- hilfsweise Revisionszulassung.
Es bezieht sich zur Begründung im wesentlichen auf die EE.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage ist begründet.
Zu Unrecht hat es das FA abgelehnt, den Kl den Pflegepauschbetrag zu gewähren.
Nach § 33 b Abs. 6 Satz l EStG kann ein Steuerpflichtiger wegen der außergewöhnlichen Belastungen, die ihm durch die Pflege einer Person erwachsen, die nicht nur vorübergehend so hilflos ist, daß sie für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens in erheblichem Umfang fremder Hilfe dauernd bedarf, anstelle einer Steuerermäßigung nach § 33 EStG einen Pauschbetrag von DM im Kalenderjahr geltend machen. Weitere Voraussetzung ist nach Satz 2 der Vorschrift, daß der Steuerpflichtige die Pflege im Inland entweder in seiner Wohnung oder in der Wohnung des Pflegebedürftigen persönlich durchführt.
Zwischen den Beteiligten ist allein streitig, ob der Umstand, daß die Kl ihren Sohn lediglich an den Wochenenden pflegerisch betreuen, der Gewährung des Pflegepauschbetrages entgegensteht. Das FA bejaht dies im Hinblick auf die Lenkungsfunktion des § 33 b Abs. 6 EStG, durch den Anreiz zur Familienpflege die Krankenkassen zu entlasten.
Der erkennende Senat vermag sich dieser Auffassung nicht anzuschließen. Zwar hat der Pflegepauschbetrag auch das gesetzgeberische Ziel, durch die Stärkung der häuslichen Pflege zur Kostendämpfung beizutrag...