rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss des Kindergeldanspruchs wegen fehlendem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Das zur Erfüllung des Wohnsitztatbestandes (§ 8 AO) erforderliche Innehaben der Wohnung muss unter Umständen erfolgen, die darauf schließen lassen, dass der Steuerpflichtige die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Dazu sind aus äußeren objektiven Tatsachen im Wege einer Prognoseentscheidung Schlüsse auf das zukünftige tatsächliche Verhalten des Steuerpflichtigen zu ziehen.

2. Die Aufgabe des Wohnsitzes im Inland ist vollzogen, sobald Umstände eingetreten sind, die erkennen lassen, dass der Steuerpflichtige nicht mehr nach Deutschland zurückkehren wird. Bei einer Auslandsreise kann dies der Zeitpunkt der Ausreise oder ein späterer Zeitpunkt sein, wenn sich der Steuerpflichtige zunächst nur vorübergehend im Ausland aufgehalten hat. Bei einem ursprünglich vorübergehenden Auslandsaufenthalt ist dann entscheidend, in welchem Zeitpunkt Umstände eingetreten sind, die die Annahme rechtfertigten, dass der Steuerpflichtige nicht mehr nach Deutschland zurückkehren wird.

 

Normenkette

EStG § 62 Abs. 1 Nr. 1; AO §§ 8-9, 19 Abs. 1 S. 2

 

Tenor

1. Der Bescheid vom 07.03.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.11.2006 wird insoweit aufgehoben, als hierin die Kindergeldfestsetzung für die Monate August 2004 bis Februar 2006 abgelehnt wird. Die Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

2. Die Kosten des Verfahrens werden der Beklagten auferlegt.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob ein Kindergeldanspruch durch einen fehlenden Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt der Klägerin im Inland ausgeschlossen wird.

I.

Die Klägerin (Klin) ist die Mutter des am ….08.2004 geborenen M. Mit Schreiben vom 30.08.2004 beantragte die Klin Kindergeld für M. Die Beklagte (die Familienkasse -FK–) lehnte die Kindergeldfestsetzung mit Bescheid vom 07.03.2006 mangels Nachweises eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts im Inland ab. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies die FK mit Einspruchsentscheidung vom 13.11.2006 als unbegründet zurück.

Hiergegen richtet sich die fristgerecht eingereichte Klage. Zu deren Begründung wird im Wesentlichen Folgendes geltend gemacht: Der Wohnsitz der Klin sei im streitigen Zeitraum im Anwesen L-Str., …, gewesen. In dem ihren Eltern gehörenden sehr großen Haus habe die Klin das 1. Obergeschoss mit 2 Schlafzimmern, 1 Atelier und 1 Badezimmer/WC bewohnt. Die im Erdgeschoss befindliche Küche ihrer Eltern habe sie mitbenutzt. Die Festanstellung der Klin habe im Januar 2004 geendet. Ab Februar 2004 sei der Ehemann der Klin, der als Bauingenieur tätig sei, befristet nach Chile entsandt worden. Die Klin sei während des gesamten Jahres 2004 in Deutschland gewesen. Nur in der Zeit vom 02.11.2004 bis 02.02.2005 sei sie bei ihrem Ehemann in Chile gewesen.

Für das übrige Jahr 2005 sei der Ehemann der Klin gleichzeitig bei mehreren Projekten in Singapur und Indonesien tätig gewesen. Insoweit führte die Klin zu ihren Aufenthalten folgende Daten an:

02.02. – 03.02.

Argentinien

03.02. – 19.02.

Chile

20.02. – 22.03.

Deutschland

23.03. – 09.07.

Singapur

10.07. – 14.07.

Malaysia – Tiamon Urlaub

14.07. – 17.07.

Singapur

18.07. – 09.09.

Deutschland

10.09. – 26.10.

Singapur

27.10. – 07.11.

Thailand Urlaub

08.11. – 06.12.

Singapur

07.12. – 31.12.

Deutschland

Für 2006 gab die Klin an, jedenfalls bis einschließlich Februar zu großen Teilen in Deutschland gelebt zu haben. Der Ehemann der Klin sei ab Anfang 2006 bei einem Projekt in Bratislava und ab Juni 2006 bis Anfang 2007 in Graz tätig gewesen. Die Klin habe in Deutschland zeitweise (09.01. – 13.01) eine Praxisvertretung übernommen.

Die Klägerin beantragt,

den Ablehnungsbescheid vom 07.03.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.11.2006 aufzuheben und die FK zu verpflichten, über die Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum August 2004 bis Februar 2006 nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Die FK beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf den mangelnden Nachweis des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland.

Der Senat hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 19.02.2008 dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen (§ 6 Finanzgerichtsordnung -FGO-).

Das Gericht hat gemäß Beschluss vom 20.02.2007 Beweis durch Zeugenvernehmung der Mutter der Klin erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und des Inhalts der mündlichen Verhandlung wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die Klage ist begründet. Die Klin erfüllt jedenfalls im hier noch streitigen Zeitraum August 2004 bis Februar 2006 die von ...

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