Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung einer abhängigen Beschäftigung von selbständiger Tätigkeit bei Prostituierten
Leitsatz (redaktionell)
1. Prostituierte sind nach dem maßgeblichen Gesamtbild der Verhältnisse nicht selbständig tätig, sondern Arbeitnehmerinnen eines Sauna- und Sexclubs, wenn zwar einzelne Indizien für eine selbständige Tätigkeit sprechen (z.B. keine Zahlung eines Grundlohns, kein Verdienst bzw. keine Ersatzvergütung bei Erkrankung, Mitwirkungsmöglichkeiten bei der Festlegung der „Arbeitstage” und der Anzahl der Arbeitstage, keine Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen, Möglichkeit der Ablehnung von Freiern usw.), wenn insgesamt aber die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Merkmale eindeutig überwiegen.
2. Es spricht für eine nichtselbständige Tätigkeit der Prostituierten, wenn u.a.
- die Prostituierten außerhalb des Clubs keinen (weiteren) Betrieb haben,
- der Club nach außen hin als organisatorische Einheit auftritt und wirbt, der alle angebotenen Leistungen als betriebseigene anbietet und in dem ein Leistungskatalog mit festen Preisen gilt,
- Zahlungen per Kreditkarte nur im Büro des Clubs geleistet werden können und weitere Leistungen der Damen dort auch „nachgebucht” werden müssen,
- allein der Clubbetreiberin das Hausrecht zusteht und die einzelne Prostitierte kein festes zugewiesenes Zimmer hat,
- die Damen hinsichtlich Arbeitszeit, Arbeitsort und Arbeitsablauf fest in die Organisation des Clubs eingebunden sind und der Personalhoheit der Clubbetreiberin unterstehen, etwa weil sie durch Absprache sicher stellen müssen, dass immer eine bestimmte Anzahl von Prostituierten anwesend ist, und wenn ihre Gestaltungsmöglichkeiten und Aktivitäten im Ergebnis darauf beschränkt sind, für eine Auswahl durch die Freier zur Verfügung zu stehen und sich für deren Verlangen nach sexuellen Diensten attraktiv zu machen,
- die Prostituierten trotz einer stark umsatzorientierten Bezahlung kein eigenes unternehmerisches Risiko etwa durch Einsatz eigenen Kapitals oder eine einnahmenunabhängige Beteiligung an den Fixkosten haben,
- und wenn die Getränkeprovisionen und die vom Club vereinnahmten Stichgelder aus den Kreditkartenumsätzen den Prostituierten nicht unmittelbar ausgehändigt, sondern täglich nach Abzug von „Kostenpauschalen” wie „Zimmermiete” und „Inseratsumlagen” gekürzt ausgezahlt werden.
Normenkette
EStG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 42d Abs. 1 Nr. 1; HGB § 84 Abs. 1 S. 2, Abs. 2; LStDV § 1 Abs. 1-2
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Die Klägerin betreibt seit dem 01. März 1996 den Sex- und Saunaclub „W” in M. Streitig ist im Wesentlichen, ob sie Arbeitgeberin der dort tätigen Prostituierten war.
Am 11. März 2002 fand bei der Klägerin eine Steuerfahndungsprüfung statt. Nach den Feststellungen des Prüfers (vgl. Fahndungsbericht vom 08. Dezember 2003) war das „W” wie folgt organisiert:
– Organisation des Clubs und Stellung der Prostituierten im Betrieb:
Die Prostituierten sollen ihre Tätigkeit ausschließlich in den Club-Räumen ausgeübt haben, um dort den sexuellen Wünschen der sog. Kunden in entsprechender Form nachzukommen. Hierzu seien von der Klägerin Zimmer vorgehalten worden, welche die Prostituierten mit den Kunden nach Bedarf aufsuchten. Jede Prostituierte sei mit ihrem Freier auf ein Zimmer gegangen, das gerade frei war. Eine feste Zuordnung der Zimmer habe es nicht gegeben. Für die Nutzung der Zimmer, Bettwäsche, Handtücher etc. sollen die Prostituierten eine tägliche „Zimmermiete” von 100 DM bzw. 50 EUR bezahlt haben. Wie viele Prostituierte genau in den einzelnen Jahren im Club tätig waren, lässt sich dem Fahndungsbericht nicht entnehmen.
Der Club sei von 20(00)bis 5(00)geöffnet gewesen. Nur in dieser Zeit hätten die Prostituierten ihrer Tätigkeit nachgehen können. In den Clubräumen hätten sie nicht nackt arbeiten dürfen. Um eine Mindestbesetzung des Clubs mit Prostituierten zu gewährleisten, soll es Tagespläne gegeben haben, die hinter der Bar aufbewahrt wurden und in die von den Prostituierten einzutragen war, an welchen Tagen sie kommen wollten. Die Öffnungszeiten des Clubs habe die Klägerin per Inserat in den einschlägigen Tageszeitungen und Zeitschriften bekannt gegeben. Hierfür habe sie den Prostituierten in der Woche 80 DM/40 EUR berechnet. Den zeitlichen Umfang ihrer Tätigkeit und damit auch die Höhe der Einnahmen hätten die Prostituierten dem Grunde nach selbst bestimmen können. Sie hätten auch die Kunden zum Konsum von Getränken des Clubs animieren sollen und seien prozentual oder mit einer Pauschale am Getränkeumsatz beteiligt gewesen.
Für die von den Prostituierten zu erbringenden sexuellen Leistungen soll es im Club ein festes Preisgefüge gegeben haben, das je nach Art und Dauer der sexuellen Handlungen von 50 EUR (15 Minuten Massage mit Handentspannung) bis zu 540 EUR (1 Stunde Verkehr plus französis...