rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Vermietungseinkünfte bei 70 Objekten und auswärtiger Übernachtung. Arbeitszimmer als Mittelpunkt der Tätigkeit. Anwendung der Entfernungspauschale und der Grundsätze der doppelten Haushaltsführung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein zur Verwaltung von mehr als 50 Mietverhältnissen (im Streitfall 70 Objekte) genutztes Arbeitszimmer, das nach den Gesamtumständen des Einzelfalls den Mittelpunkt der Vermietungstätigkeit bildet, fällt nicht unter die Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b Satz 1 EStG.

2. Die Entfernungspauschale gelangt auch dann zur Anwendung, wenn der Steuerpflichtige ein für die Verwaltung des Grundbesitzes eingerichtetes Büro unterhält. In diesem Fall greifen bei Übernachtung am Tätigkeitsort die Grundsätze der doppelten Haushaltsführung ein, wenn der Steuerpflichtige zur Betreuung seiner Mietobjekte an deren Belegenheitsort übernachtet.

 

Normenkette

EStG § 21 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nrn. 4-5, Abs. 5, § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b S. 1

 

Tenor

1. Der Einkommensteuerbescheid 2009 vom 30. April 2014 wird dahingehend geändert, dass Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für Bürokosten in … in Höhe von 3.971,71 Euro, Übernachtungskosten von 2.411 Euro sowie Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von 2.328 Euro und Fahrzeugkosten von 12.787,37 Euro anerkannt werden, die zu Verwaltungskosten von insgesamt 31.821,72 Euro führen.

Die Berechnung der Einkommensteuer wird dem Beklagten übertragen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.

 

Tatbestand

I.

Die Kläger erzielen Einkünfte aus gewerblicher Beteiligung, geringfügige Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit (Klägerin, Hausverwaltung) sowie Renten. Sie erzielten jedoch vor allem Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus verschiedenen Objekten mit ca. 70 Wohneinheiten. Zwei Objekte befinden sich in … (… Str. 2, Dreifamilienhaus, teilweise privat und beruflich selbstgenutzt), in … elf Objekte im Wiesenweg, in der S…strasse 43 Wohneinheiten sowie in … drei Wohneinheiten, ferner 9 Wohneinheiten in …, … Strasse. Sie werden beim Beklagten, dem Finanzamt …, zur Einkommensteuer zusammenveranlagt.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2009 machten die Kläger Aufwendungen für die Verwaltung umfangreichen Grundbesitzes als Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung geltend. Sie beantragten die Anerkennung von Verwaltungskosten in Höhe von 34.004,29 EUR als Werbungskosten. Dem folgte der Beklagte nicht. Er kürzte im Einkommensteuerbescheid vom 26. Oktober 2010

  • die Werbungskosten für das häusliche Arbeitszimmer von 3.971,71 EUR auf 1.250 EUR mit der Begründung, dass dieses nicht den Mittelpunkt der gesamten Betätigung darstelle;
  • die geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen i.H.v. 4.658 EUR auf 0 EUR mit der Begründung, dass zur Ausübung der Vermietertätigkeit in … eine eigene Doppelhaushälfte (DHH) genutzt würde und somit Kosten der privaten Lebensführung vorlägen;
  • die geltend gemachten Kosten für Übernachtungen in der eigenen DHH der Kläger in … auf je 23,56 EUR/Übernachtung = 1.955 EUR;
  • die Fahrtkosten für das Fahrzeug …–HG 88 nach Hinweis auf das Auslaufen der Nutzungsdauer im VZ 2009 von 6.333 EUR auf 3.168 EUR durch eine Verlängerung der Nutzungsdauer von 9.678,45 EUR auf 7.362,86 EUR.

Die anerkannten Verwaltungskosten wurden in den Bescheiderläuterungen mit 26.264,99 EUR beziffert.

Mit dem Einspruch trugen die Kläger vor, das Büro in ihrem Wohnhaus in … stelle den Mittelpunkt der gesamten Vermietungstätigkeit dar, weshalb ein sog. Mittelpunktsfall vorliege. Aus den Grundrissplänen, die von den Klägern für das Objekt … Str. 2 vorgelegt und in der mündlichen Verhandlung mit den Beteiligten ausführlich durchbesprochen wurden, ist ersichtlich, dass sich im Obergeschoss des Gebäudes drei abgeschlossene Bereiche befinden, ein eigengenutzter Teil, eine fremdvermietete Einliegerwohnung und ein Arbeitszimmer. Alle drei Bereiche sind über eine zentrale Treppe vom Erdgeschoss aus zu erreichen. Die größere dieser Wohnungen bewohnen die Kläger selbst, die kleinere ist vermietet. Zwischen den beiden Wohnungen im Obergeschoss befindet sich ein einzelner Raum von 22,24 qm Größe, den die Kläger als Arbeitszimmer kenntlich gemacht haben. Von jedem dieser drei Bereiche aus führt jeweils eine Treppe in das Dachgeschoss. In den Grundrissplänen des Dachgeschosses haben die Kläger ein Zimmer von 12,25 qm Größe als weiteres Arbeitszimmer kenntlich gemacht.

Weitere vermietete Räumlichkeiten befinden sich im Erdgeschoss, das an einen Paketdienst vermietet und von außen zugänglich ist. Das Kellergeschoss wird teilweise selbstgenutzt (33,07 qm) und im Übrigen als Lagerraum fremdvermietet. Nach Aktenlage handelt es si...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge