rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag auf Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG. ladungsfähige Anschrift. Sachurteilsvoraussetzung. Festsetzungsverjährung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Angabe des (tatsächlichen) Wohnorts der Kläger ist eine Sachentscheidungsvoraussetzung.
2. Der Antrag auf Veranlagung gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG ist nicht rechtzeitig gestellt worden. Die Festsetzungsverjährung war bereits eingetreten.
Normenkette
FGO § 65 Abs. 1; AO §§ 110, 169 Abs. 1 S. 1, § 170 Abs. 1; EStG § 36 Abs. 1, § 25 Abs. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob wegen Versäumnis der Einspruchsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist und ob der Beklagte (das Finanzamt –FA–) verpflichtet ist, die Kläger für die Veranlagungszeiträume 2005 bis 2011 gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu veranlagen.
Die Kläger sind verheiratet und wurden beim Beklagten (dem Finanzamt –FA–) bis einschließlich 2004 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Im Einkommensteuerbescheid 2004 vom 25. September 2006 wurden vom FA die Besteuerungsgrundlagen geschätzt. Die Kläger teilten dem FA seit ihrem Auszug aus dem Einfamilienhaus in T im Jahr 2006 trotz wiederholter Nachfrage ihre Wohnanschrift nicht mit.
Da der Kläger über kein Einkommen verfügt(e) und die Klägerin als pensionierte Lehrerin nur Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielte, löschte das FA ab 2005 das Einkommensteuersignal. Einkommensteuererklärungen der Kläger für die Jahre ab 2005 gingen beim FA nicht ein. Seit 2014 bezieht der Kläger eine geringfügige Rente.
Mit als Eilantrag bezeichneten Schreiben vom 30. Dezember 2015 wendete sich die Klägerin per Telefax an das FA, mit der Bitte um Überweisung von pauschalen Erstattungsbeträgen für die Jahre 2005 bis 2015 wegen nachträglich geltend gemachter Aufwendungen für Berufsausbildungskosten des Klägers infolge eines Erststudiums an der Universität in Salzburg und von Behindertenpauschbeträgen für sich bei einem Grad der Behinderung von 50 und für ihren Ehemann bei einem Grad der Behinderung von 30. Zudem habe sie aufgrund eines schweren Unfalls Kosten von 3.000 EUR (von insgesamt 12.000 EUR) selbst getragen. Diesem Eilantrag lagen Lohnsteuerbescheinigungen der Klägerin für die Jahre 2007 bis 2014, Bezügemitteilungen der Klägerin vom Januar/2015, Februar/2015, Juni/ 2015 und Juli/2015, eine Studienbestätigung ihres Ehemanns vom 11. April 2014, ein handgeschriebenes ärztliches Zeugnis zu ihrem Pflegebedarf vom 8. Juni 2015 mit Arztstempel Dr. med. H, R, und unterschrieben von Dr. H, eine Einzahlungsquittung vom 18. Mai 2015 der Kreisklinik R über einen gezahlten Vorschuss in Höhe von 1.000 EUR, eine Aufstellung der monatlichen Einnahmen und Ausgaben der Ehegatten und eine Zahlungsanweisung für den Studienbeitrag des Klägers für das WS 2015/2016 in Höhe von 418,40 EUR bei.
Das FA legte das Begehren der Kläger als Antrag auf Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 des Einkommensteuergesetzes (EStG) aus.
Mit Bescheid vom 8. Januar 2016 lehnte das FA Einkommensteuerveranlagungen für die Jahre 2005 bis 2011 ab.
Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 23. Februar 2016 Einspruch ein und begehrte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Sie leide unter einer schweren behinderungsbedingten Blasenentzündung, der Kläger an einer langwierigen Darmerkrankung. Sie nehme Bezug auf die ärztliche Bestätigung vom 8. Juni 2015. Eine Wohnanschrift könne sie nicht nennen, da sie auf der Suche nach einem passenden Pflegeheim für sich sei. Der Kläger und sie wohnten in wechselnden preiswerten Quartieren, bis sie ihr ohne ihr Verschulden unbewohnbar gewordenes Haus (in T) wieder hergerichtet hätten.
Das FA wies am 12. April 2015 die Kläger darauf hin, dass der Einspruch schon wegen Versäumnis der Einspruchsfrist unzulässig sei. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne nicht gewährt werden, da eine Fristversäumnis nur für den Fall entschuldigt sei, dass die Krankheit plötzlich eingetreten sei und so schwer sei, dass der Erkrankte zur Fristwahrung außerstande gewesen sei. Lt. dem ärztlichen Attest vom 8. Juni 2015 werde dagegen eine dauernde körperliche Beeinträchtigung der Klägerin bestätigt. Zudem hätte der Kläger Anträge auf Durchführung der Veranlagungen in Form von entsprechenden Steuererklärungen für die einzelnen Jahre stellen können. Ebenso hätte er Einspruch gegen die Ablehnung der Einkommensteuerveranlagungen einlegen können.
Zudem werde, wenn das Einkommen ganz oder teilweise aus nichtselbständiger Arbeit bestehe, von denen ein Steuerabzug vorgenommen worden sei, –wie im Streitfall– nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG eine Veranlagung nur auf Antrag durchgeführt. Der Antrag sei durch Abgabe einer Einkommensteuererklärung zu stellen, vgl. § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG. Dieser Antrag müsse innerhalb der Festsetzungsfrist gestellt werden. Die Festsetzungsfrist sei eine gesetzliche bestimmte Frist und betr...