rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Abhilfebescheid;. Bekanntgabewille;. gemeinsamer Bekanntgabewille von Sachbearbeiter und Sachgebietsleiter. Einkommensteuer 1995

 

Leitsatz (amtlich)

Haben der Sachgebietsleiter und dann auch der Sachbearbeiter hinsichtlich einer nur vom Sachbearbeiter unterzeichneten Abhilfeverfügung das Nichtvorhandensein ihres gemeinsamen Bekanntgabewillens vor der versehentlichen Versendung des dem Einspruchsbegehren stattgebenden Einkommensteuerbescheids hinreichend aktenkundig gemacht, kommt es auf die rechtzeitige Mitteilung des Nichtvorhandenseins des Bekanntgabewillens gegenüber dem Steuerpflichtigen nicht an. Ein dem Steuerpflichtigen zugehender Abhilfebescheid ist ein bloßer Scheinverwaltungsakt.

 

Normenkette

AO § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2a, §§ 122, 118

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Die Kläger sind Eheleute, die für das Streitjahr 1995 zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt wurden.

Mit Bescheid vom 25. Juni 1996 erkannte der Beklagte (das Finanzamt –FA–) statt eines erklärten Werbungskostenüberschusses bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (VuV) i. H. v. 33.160 DM nur einen solchen von 1.700 DM an. Hiergegen legten die Kläger mit Schreiben vom 2. Juli 1996 Einspruch ein.

Nach einem internen „Aktenvermerk” vom 5. Juli 1996 (Bl. 4 Rb-Akte) wollte die Sachbearbeiterin dem Rechtsbehelf gem. § 172 der Abgabenordnung (AO) stattgeben. Dagegen wandte sich der Sachgebietsleiter (SL) mit einer Aktennotiz vom selben Tag (Bl. 4 a Rb-Akte). Der o.g. Aktenvermerk über die Einspruchserledigung wurde von ihm nicht gegengezeichnet und auf der Vor- wie Rückseite durchgestrichen. Mit Schreiben vom 8. Juli 1996 bekundete die Sachbearbeiterin die ablehnende Haltung des FA und stellte die Rücknahme des Einspruchs anheim. Mit Schreiben vom 14. Juli 1996, in dem sie den Eingang des FA-Schreibens vom 8. Juli 1996 bestätigten, erhielten die Kläger ihren Einspruch aufrecht. Er wurde daher mit „Rechtsbehelfsbegleitbogen” vom 18. Juli 1996 an die Rechtsbehelfsstelle abgegeben (Bl. 1 a.a.O.).

Bereits vor dem Schreiben des FA vom 8. Juli 1996 war aber die Änderungsverfügung (aufgrund des maschinellen Eingabebogens) in der EDV freigegeben worden. Infolgedessen wurde der Änderungsbescheid mit dem Aufgabedatum „19.07.1996” (Bl. 7 f. a.a.O.) zentral von der EDV-Stelle versandt. Dieser Bescheid trug die Form. Nr. 006714 „G” (für glatte Bahn), das Rechendatum vom 9. Juli 1996 und folgende Erläuterung: „Dieser Bescheid ändert den Bescheid vom 25. Juni 1996. Hierdurch erledigt sich Ihr Rechtsbehelf-Antrag vom 2.07.1996.”

Mit Schreiben vom 6. August 1996 forderte der Bearbeiter der Rechtsbehelfsstelle weitere Belege an. Dieses Schreiben haben die Kläger lt. Angabe nicht erhalten. Mit Schreiben vom 12. August 1998 wurde die Erledigung angemahnt. Telefonisch wies die Klägerin am 17. August 1998 auf den Abhilfebescheid hin, wodurch die Rechtsbehelfsstelle erstmals davon erfuhr.

Mit Verfügung vom 17. Dezember 1998 stellte das FA, wie angekündigt, die Unwirksamkeit des Bescheids vom 19. Juli 1996 fest. Der dagegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung –EE– vom 6. November 1998, Bl. 28 – 32 a.a.O.).

Mit ihrer Klage halten die Kläger daran fest, dass der Änderungsbescheid vom 19. Juli 1996 wirksam geworden sei. Das FA habe es augenscheinlich versäumt, diesen Bescheid aufzuheben. Weder die Rechtsbehelfsstelle noch die Veranlagungsstelle hätten durch geeignete Maßnahmen verhindert, dass, obwohl das Rechtsbehelfsverfahren noch nicht abgeschlossen gewesen sei, ein Änderungsbescheid ergangen sei. Dieser Fehler könne nicht ihnen zugerechnet werden, vielmehr genössen sie Vertrauensschutz.

Wegen weiterer Einzelheiten verweist der Senat auf den Schriftsatz vom 7. Dezember 1998.

Die Kläger beantragen,

die Verfügung vom 17. September 1998 und die EE vom 6. November 1998 aufzuheben.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es tritt im Schriftsatz vom 14. Januar 1999 der Argumentation der Kläger entgegen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Klage ist als Anfechtungsklage gem. § 40 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässig (s. Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 12. August 1996 VI R 18/94, BFHE 180, 358, BStBl II 1996, 627). Sie ist aber nicht begründet.

1. Zu Recht hat das FA die Unwirksamkeit des Abhilfebescheids vom 19. Juli 1996 festgestellt. Es fehlt am Bekanntgabewillen. Der „Steuerbescheid” vom 19. Juli 1996 ist ein Scheinverwaltungsakt.

Der Bekanntgabewille konnte für den Abhilfebescheid – wie auch der Vordruck „Aktenvermerk über die Einspruchserledigung nach § 172 AO” ausweist – nur von der Sachbearbeiterinund/oder dem SL gebildet werden (vgl. auch Urteil des FG Münster vom 17. April 1996 – 11 K 4769/93 E, Entscheidungen der Finanzgerichte –EFG– 1996, 1136). Daran fehlte es, da der SL die Abhilfeverfügung nicht mit abzeichnete. Er gab darüber hinaus noch am selben Tag die eindeutige Anweisung, die Werbungskosten nicht anzuerkennen. Diese Entsch...

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