Entscheidungsstichwort (Thema)

Antragsveranlagung durch Pfändungs- und Überweisungsgläubiger. Antrag auf Durchführung der Einkommensteuer-Veranlagung 1994 und 1995 der Eheleute … und …

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 29.02.2000; Aktenzeichen VII R 109/98)

 

Tenor

1. Der Ablehnungsbescheid vom 4. November 1997 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 2. Juni 1998 werden aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin, ein Kreditinstitut, erlangte einen Vollstreckungsbescheid gegen den Steuerschuldner R. Am 13. Januar 1996 erwirkte sie durch den Gerichtsvollzieher eine am 17. Januar 1996 dem Beklagten (das Finanzamt = FA) zugestellte Vorpfändung nach § 845 Zivilprozeßordnung (ZPO). Schließlich erließ das Amtsgericht in … unter dem 16. Januar 1996 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß zugunsten der Klägerin betreffend die Forderungen des Steuerschuldners R. gegen das FA. Gepfändet wurden alle Ansprüche aus der Durchführung des (eventuell gemeinsamen) Lohnsteuerjahresausgleichs für 1994 und 1995 sowie die Auszahlung des als Überzahlung ausgleichenden Erstattungsbetrages sowie Ansprüche auf Rückzahlung von Einkommensteuer oder Einkommensteuervorauszahlung. Im Rahmen der Hilfspfändung wurde angeordnet, daß der Steuerschuldner die Lohnsteuerkarte mit Lohnsteuerbescheinigung für das Jahr 1994 und 1995 an den Gläubiger herauszugeben habe. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluß wurde dem FA am 24. Januar 1996 um 8.40 Uhr zugestellt.

Am 22. August 1996 (Eingangsvermerk des FA: 23. August 1996, Frühleerung) legte der Bevollmächtigte der Klägerin von ihm unterschriebene Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 1994 und 1995 vor. Die Steuererklärungen, auf die im einzelnen Bezug genommen wird, enthalten Angaben zur Person des Steuerschuldners R. und seiner Ehefrau sowie zu den beiden Kindern, zu Sonderausgaben und den Einkünften des Steuerschuldners aus nichtselbständiger Arbeit. Den Steuererklärungen ist jeweils die Lohnsteuerkarte des Steuerschuldners beigefügt.

Nachdem das FA die Prozeßbevollmächtigten der Klägerin ergebnislos zur Vorlage einer Vollmacht des Steuerschuldners R. sowie seiner Ehefrau aufgefordert hatte, lehnte es mit Bescheid vom 4. November 1997 den Antrag auf Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung für die Jahre 1994 und 1995 mit der Begründung ab, der Antrag auf Einkommensteuerveranlagung sei ein höchstpersönliches Gestaltungsrecht und könne unter Umständen zu einer Steuernachzahlung führen. Es bedürfe daher einer eigenhändigen Unterschrift des Steuerpflichtigen. Der hiergegen erhobene Einspruch hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung –EE– vom 2. Juni 1998). Die EE bezeichnet zu Unrecht die Bevollmächtigten der Klägerin als Einspruchsführer.

Mit der Klage wird im wesentlichen vorgetragen, die Auffassung des FA, eine Unterschrift des Steuerschuldners sei zu erbringen, führe letztlich dazu, daß die Vorschriften über die Pfändung und Überweisung von Einkommensteuer-Erstattungsansprüchen sinnlos würden. Im vorliegenden Fall seien die Steuerschuldner aufgrund ihrer Schuldnerposition nicht bereit, die Unterschrift zu leisten. Nach der Rechtsprechung der Zivilgerichte habe der Pfändungs- und Überweisungsgläubiger ein eigenes Antrags- und Erklärungsrecht. Hiervon sei auch der Bundesfinanzhof (BFH) für den Fall eines Lohnsteuer-Erstattungsanspruchs in seinem Urteil vom 22. November 1991 VI R 118/88, Bundessteuerblatt –BStBl– II 1992, 326 ausgegangen. Die durch das Steueränderungsgesetz 1992 eingeführte Antragsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 Einkommensteuergesetz (EStG) habe an dem bisherigen Rechtszustand nichts geändert. Die gegenteilige Entscheidung des Finanzgerichts Köln vom 7. Mai 1997 5 K 7535/96, EFG 1997, 1522 sei im Ergebnis nicht zutreffend. Sie lasse außer Betracht, daß der Pfändungs- und Überweisungsbeschluß ein staatlicher Akt sei, mit welchem dem Gläubiger die gepfändete Rechtsposition des Schuldners umfassend durch Überweisung eingeräumt werde. Im übrigen dürfe die Frage des Antragsrechts nicht damit verknüpft werden, ob alle Anlagen vollständig ausgefüllt worden seien. Es bleibe der Klägerin überlassen, eventuell fehlende Informationen auf Nachfrage des FA nachzureichen. Sofern Unklarheiten bei den ausgefüllten Anlagen verblieben, sei es der Klägerin durchaus möglich, konkrete Fragen zu ergänzen. Aus Gründen der Vereinfachung biete es sich an, eventuell ergänzende Auskünfte beim Schuldner direkt zu erfragen. Die Klägerin könne aber auch Auskünfte beim Schuldner erzwingen und dem FA zur V...

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