Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Änderung zu Ungunsten bei fehlerhaftem Verböserungshinweis. Grundsatz von Treu und Glauben. Keine Verfassungswidrigkeit der Versteuerung nicht rückzahlbarer Fördermittel als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Berücksichtigung neuer Tatsachen
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Verböserungshinweis genügt den Anforderungen des § 367 Abs. 2 Satz 2 AO nicht, wenn die zugleich erfolgte Mitteilung der beabsichtigten Änderung des streitgegenständlichen Steuerbescheids nach § 174 Abs. 4 AO nicht die Möglichkeit erwähnt, die Änderung zu Lasten des Steuerpflichtigen durch die Zurücknahme sämtlicher Einsprüche zu verhindern. Ein solch fehlerhafter Verböserungshinweis schließt nach dem Grundsatz von Treu und Glauben eine ggfs. mögliche, auf § 174 Abs.4 AO gestützte Änderung zu Ungunsten aus.
2. Es gibt keine Anhaltspunkte für eine Verfassungswidrigkeit der Besteuerung nicht rückzahlbarer öffentlicher Fördermittel, die ein Bauherr zur Förderung der Schaffung von Mietwohnraum im Rahmen des sogenannten Dritten Förderungsweges für Belegungs-und Mietpreisbindungen erhält, im Kalenderjahr des Zuflusses als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung.
3. Ausführungen zu der Frage, ob dem Finanzamt der Erhalt der Fördermittel (Leitsatz 2) nachträglich bekanntgeworden ist, und ob auf Grund dieser Tatsache der Einkommensteuerbescheid des Zuflussjahres geändert werden durfte.
Normenkette
AO 1977 § 367 Abs. 2 S. 2, § 174 Abs. 4, § 173 Abs. 1 Nr. 1; EStG 1990 § 11 Abs. 1, § 21 Abs. 1 Nr. 1; GG Art. 3 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
1. Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom … wird die Einkommensteuer für 1995 auf … EUR (entspricht … DM) festgesetzt.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger zu … % und der Beklagte zu … %.
4. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
5. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
Streitig ist, ob eine den Klägern im Streitjahr 1995 zugeflossene Zahlung der Bayerischen Landesbodenkreditanstalt in Höhe von … DM als Einnahme im Rahmen der Einkünfte der Kläger aus Vermietung und Verpachtung steuerlich zu berücksichtigen ist.
I.
Die steuerlich nicht vertretenen Kläger sind verheiratet und wurden in den Jahren 1994 bis 2001 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Im Jahr 1994 begannen sie als je hälftige Miteigentümer mit der Errichtung eines Doppelhauses in …(Doppelhaus), das sie im Jahr 1995 fertig stellten und vermieteten.
Die Bayerische Landesbodenkreditanstalt gewährte den Klägern zur Erstellung der beiden Wohnungen mit Bewilligungsbescheid vom … nach dem Dritten Förderungsweg ein Baudarlehen in Höhe von … DM.
Die erste Rate des Darlehens in Höhe von … DM (zuzüglich eines Bardisagios in Höhe von … DM insgesamt nominal … DM) wurde den Klägern am …1994 ausbezahlt. Die zweite Rate des Darlehens in Höhe von … DM (zuzüglich eines Bardisagios in Höhe von … DM insgesamt nominal … DM) wurde den Klägern am …1995 ausbezahlt.
In der Einkommensteuererklärung für 1994 vom … (eingegangen beim Beklagten – dem Finanzamt – am …) erklärten die Kläger in der das Doppelhaus betreffenden Anlage V vorweggenommene Werbungskosten aus der Vermietung des Doppelhauses in Höhe von … DM. Als Werbungskosten erklärten sie hierbei u.a. die Kosten
- für eine „Grundschuldbestellung” in Höhe von insgesamt … DM,
- für eine „Bürgschaft” in Höhe von … DM und
- für ein „Disagio” in Höhe von … DM.
Die der Einkommensteuererklärung beigefügten Nachweise für die Bürgschaft- bzw. die Disagioaufwendungen wurden nach den Bearbeitungsvermerken auf der Einkommensteuererklärung in den Akten vom zuständigen Veranlagungsbeamten des Finanzamtes eingesehen und noch am … wieder an die Kläger zurückgegeben.
Zu der Zahlung der Bayerischen Landesbodenkreditanstalt vom …1994 in Höhe von … DM machten die Kläger in der Einkommensteuererklärung 1994 im Übrigen keine Angaben. Die Einkommensteuererklärung für 1994 wurde erklärungsgemäß mit Einkommensteuerbescheid vom … veranlagt; der Bescheid wurde bestandskräftig.
In der Einkommensteuererklärung für 1995 vom … (eingegangen beim Finanzamt am …) erklärten die Kläger jeweils Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und aus der Vermietung des Doppelhauses sowie Einkünfte des Klägers aus Land- und Forstwirtschaft. In der das Doppelhaus betreffenden Anlage V erklärten die Kläger einen Verlust aus der Vermietung des Doppelhauses in Höhe von insgesamt … DM. Als Werbungskosten erklärten sie hierbei u.a.
- im Rahmen der Schuldzinsen einen Betrag in Höhe von … DM für „Labo” und
- Absetzung für Abnutzung in Höhe von … DM, d.h. in Höhe von 7 % aus Herstellungskosten in Höhe von insgesamt … DM (entsprechend einer beigefügten handschriftlichen Aufstellung ...