Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlass der Branntweinsteuer
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Korrektur bestandskräftig festgesetzter Steuern im Wege des Erlasses kommt nur dann in Betracht, wenn die Steuerfestsetzung offensichtlich und eindeutig unrichtig ist und es dem Steuerpflichtigen nicht zuzumuten war, sich hiergegen rechtzeitig zu wehren.
2. Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit eines Beitreibungsersuchens sind im Verfahren wegen Erlass der Abgabenschuld aus Billigkeitsgründen nicht entscheidungserheblich.
Normenkette
AO § 80 Abs. 3 S. 1, § 122 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 Nr. 1, § 227; FGO §§ 47, 55 Abs. 1 S. 1
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob der Antrag des Klägers auf Erlass von Branntweinsteuer und Säumniszuschlägen aus Billigkeitsgründen zu Recht abgelehnt wurde.
Das Hauptzollamt X setzte mit Steuerbescheid vom 2. Februar 2000 gegenüber dem Kläger Branntweinsteuer in Höhe von insgesamt 1.982.880,– DM fest, weil er bei drei Alkoholtransporten jeweils durch den Austausch des begleitenden Verwaltungsdokuments gegen Versandunterlagen mit falscher Warenbezeichnung den Alkohol während des Beförderungsvorgangs in Deutschland dem Steueraussetzungsverfahren entzogen habe. Durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts N vom 16. März 2000 wurde der Kläger wegen der Beteiligung an zwei dieser Transporte der Steuerhinterziehung in zwei Fällen schuldig gesprochen. Mit der an den Prozessbevollmächtigten des Klägers bekannt gegebenen Einspruchsentscheidung vom 9. Mai 2000 wies das Hauptzollamt X den Einspruch gegen den Steuerbescheid als unbegründet zurück.
Am 2. Dezember 2004 ersuchte das Hauptzollamt Y, auf das mittlerweile die Aufgaben des Hauptzollamts X übergegangen sind, die Tschechische Republik um Beitreibung der streitgegenständlichen Steuerforderung.
Mit Schriftsatz vom 21. Mai 2006 beantragte der Kläger die mit Steuerbescheid vom 2. Februar 2000 festgesetzte Branntweinsteuerschuld (1.013.830,45 EUR) und die entstandenen Säumniszuschläge (588.004,– EUR) aus Billigkeitsgründen zu erlassen. Das Hauptzollamt lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 7. Juni 2006 ab. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies es mit Einspruchsentscheidung vom 4. April 2007 als unbegründet zurück.
Mit seiner Klage bringt der Kläger im Wesentlichen Folgendes vor:
Die Ablehnung seines Billigkeitsantrages sei ermessenswidrig. Das Hauptzollamt habe weder seine wirtschaftliche noch gesundheitliche Situation ausreichend gewürdigt. Er habe nichts tun können, um die Folgen seines steuerunehrlichen Verhaltens zu beseitigen. Ebenso wenig sei sein umfassendes Geständnis vor dem Landgericht N positiv gewürdigt worden. Auch der Umstand, dass der Alkohol nur durch Deutschland durchgeführt worden ist und dass er außer seinem Transportlohn keinerlei Vorteile aus den Taten gehabt habe, sei nicht berücksichtigt worden. Dem Ablehnungsbescheid sei nicht zu entnehmen, warum die eigentlichen Drahtzieher der Steuerhinterziehungen nicht in Anspruch genommen worden sind. Das Hauptzollamt sei nicht auf seine Einwendungen hinsichtlich der Nichtvollstreckbarkeit der streitgegenständlichen Forderung in Tschechien eingegangen. Im Übrigen sei ihm die Einspruchsentscheidung vom 9. Mai 2000 bis heute nicht ordnungsgemäß zugestellt worden.
Der Kläger beantragt, das Hauptzollamt unter Aufhebung des Bescheids vom 7. Juni 2006 und der Einspruchsentscheidung vom 4. April 2007 zu verpflichten, den Antrag auf Erlass der mit Steuerbescheid vom 9. Mai 2000 festgesetzten Branntweinsteuer unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Das Hauptzollamt beantragt, die Klage abzuweisen.
Es bringt im Wesentlichen vor, dass ein Billigkeitserlass schon deshalb nicht geboten sei, weil dieser die wirtschaftliche Situation des Klägers nicht verbessern könnte. Die strafrechtliche Verurteilung schließe eine Erlasswürdigkeit zwar nicht schlechthin aus, der Kläger habe sich jedoch nicht bemüht, die Folgen seines steuerunehrlichen Verhaltens zu beseitigen. Seine Inanspruchnahme stelle auch keinen Ausnahmefall dar, da mehr als 100 Personen im In- und Ausland allein von den Hauptzollämtern X und Y mit ca. 500 Steuerbescheiden wegen vergleichbarer Sachverhalte in Anspruch genommen worden seien. Bei den Einwendungen des Klägers handle es sich nicht um Billigkeitsgründe, sondern um Gründe, die gegen die Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Steuerbescheids sprechen.
Im Übrigen sei der streitgegenständliche Steuerbescheid bestandskräftig. Er sei dem Kläger mit einfachem Brief zugestellt worden und dieser habe dann seinen Rechtsanwalt davon in Kenntnis gesetzt. Die Einspruchsentscheidung sei seinem Prozessbevollmächtigten bekannt gegeben worden, da dieser lt. vorliegender Vollmacht zur Entgegennahme von Zustellungen ermächtigt gewesen sei. Bestandskräftig gewordene Steuerbescheide könnten aber im Billigkeitsverfahren...