rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtmäßigkeit des vom FA gestellten Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Entscheidung des FA, das Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Steuerschuldners zu beantragen, ist eine Ermessensentscheidung, die gem. § 102 FGO von den Gerichten nur daraufhin überprüft werden kann, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (vgl. BFH v. 12.12.2005, VII R 63/04, BFH/NV 2006, 900).

2. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kann die Beantragung eines Insolvenzverfahrens aufgrund vollziehbarer, aber noch nicht bestandskräftiger Steuerforderungen nicht als ermessensfehlerhaft beanstandet werden (BFH v. 12.12.2003, VII B 265/01, BFH/NV 2004, 464).

 

Normenkette

FGO § 102; AO § 256; InsO § 16

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist die Rechtmäßigkeit des vom Finanzamt (FA) gestellten Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin.

Die Klägerin ist eine im Jahr 2004 gegründete GmbH. Unternehmensgegenstand ist die Vermarktung von Datenträgern, datenträgerbasierenden Systemen, Etablierung von Kommunikationssystemen wie z. B. medizinischen Internetportalen sowie Aufbau und Vermarktung von Hard- und Softwaresystemen im Bereich des Gesundheitswesens.

Ausweislich der Vollstreckungsakten des FA beliefen sich die Steuerrückstände der Klägerin am 18. März 2009 auf 530.663,34 EUR. Dieser Betrag setzt sich aus Umsatzsteuer 2005 (220.871,89 EUR), Umsatzsteuer 2006 (255.033,85 EUR) sowie Zinsen zur Umsatzsteuer 2005 (16.563 EUR) und Säumniszuschlägen zu den Steuerrückständen (38.083 EUR) zusammen. Die Festsetzung der Umsatzsteuer beruht im Wesentlichen auf den Erkenntnissen nach Durchführung einer Umsatzsteuer- und Steuerfahndungsprüfung. Hinsichtlich der Richtigkeit der festgesetzten Umsatzsteuer hat die Klägerin unter dem Aktenzeichen 14 K 3961/08 Klage beim Finanzgericht München erhoben.

Auf Grund der bestehenden Steuerrückstände leitete das FA verschiedene Vollstreckungsmaßnahmen ein. Unter anderem brachte es Pfändungs- und Einziehungsverfügungen bei mehreren Banken an, die jedoch erfolglos verliefen. Seit Fälligstellung der Steuerschulden am 30. Juli 2008 konnten keine Zahlungseingänge festgestellt werden. Die Klägerin unterhält keine Büroräume, ihr Geschäftsführer ist inhaftiert (Bl. 110 Vollstreckungsakten FA, Heftung Haftungsanfrage).

Am 18. März 2009 beantragte das FA bei dem zuständigen Amtsgericht Wolfratshausen die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin (Vollstreckungsakten FA, Heftung Insolvenzantrag).

Mit der dagegen gerichteten Klage bringt die Klägerin im Wesentlichen vor, dass der Antrag des FA auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens rechtswidrig sei, da ihre Zahlungsunfähigkeit vom FA herbeigeführt worden sei. Darüber hinaus sei das FA gehalten, zunächst die im Steuerrecht vorgesehenen Beitreibungsmöglichkeiten auszuschöpfen. Insbesondere seien die Steuerbehörden in dem Fall, in dem die wirtschaftliche Existenz des Unternehmens durch eine Steuerbelastung gefährdet sei, verpflichtet, diese durch geeignete Billigkeits- und Erlassmaßnahmen zu beheben. Tatsächlich bestehe zu Gunsten der Klägerin ein Steuerguthaben, das sie anhand der dem FA vorliegenden Dokumente (beispielsweise europäische Patentanmeldungen, Kooperationsvereinbarungen mit Marktpartnern, Antragsgutachten für das Gesundheitsministerium) belegen könne. Darüber hinaus habe ihr Geschäftsführer dem FA weitere Sicherheiten angeboten, insbesondere seinen Anteil an einem Nachlass.

Das FA missbrauche das Insolvenzverfahren jedoch als Droh- und Druckmittel, um die Firma der Klägerin zu liquidieren und verstoße mit seiner sittenwidrigen Vorgehensweise gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.

Die Klägerin beantragt,

das Finanzamt zu verpflichten, den Antrag vom 18. März 2009 auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückzunehmen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten, die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Klage hat keinen Erfolg.

Das Begehren der Klägerin, das FA zur Aufhebung des Insolvenzantrags vom 18. März 2009 zu verpflichten, ist unbegründet.

Die Entscheidung des FA, das Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Steuerschuldners zu beantragen, ist eine Ermessensentscheidung, die gemäß § 102 Finanzgerichtsordnung (FGO) von den Gerichten nur daraufhin überprüft werden kann, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 12. Dezember 2005 VII R 63/04, BFH/...

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