Entscheidungsstichwort (Thema)

Zusammenveranlagung trotz fehlender Unterschrift eines der Ehegatten. Einkommensteuer 1997 und 1998

 

Leitsatz (redaktionell)

Haben die Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung vorgelegen, so ist diese auch dann durchzuführen, wenn wegen der Ausreise eines Ehegatten die Steuererklärung nicht von beiden Ehegatten unterschrieben worden ist.

 

Normenkette

EStG § 46 Abs. 2 Nr. 8, § 25 Abs. 3, § 26b

 

Tenor

1. Der Beklagte wird verpflichtet, für die Streitjahre 1997 und 1998 die Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer durchzuführen und entsprechende Einkommensteuerbescheide zu erlassen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung abwenden durch Leistung einer Sicherheit in Höhe der dem Kläger entstandenen Aufwendungen, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger (Kl) heiratete am 18.8.1997 in Manila (Philippinen). Ab dem 1.12.1997 lebte seine Ehefrau … bei ihm in Deutschland. Die Ehe scheiterte nach kurzer Zeit. Bereits im Februar 1998 flog die Ehefrau auf die Philippinen zurück. Seit Mitte 1999 ist der Kl, der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezog, von ihr geschieden. Auf der Lohnsteuerkarte für das Jahr 1997 war die Steuerklasse I eingetragen, auf der Karte für das Jahr 1998 die Klasse III. Der Kl beantragte für die Jahre 1997 und 1998 die Zusammenveranlagung. Die entsprechenden Einkommensteuererklärungen sind nur von ihm unterschrieben. Der Beklagte (das Finanzamt -FA-) lehnte eine Zusammenveranlagung ab und führte jeweils eine Einzelveranlagung durch. Gegen die entsprechenden Einkommensteuerbescheide 1997 und 1998 vom 21.6.1999 wandte sich der Kl mit Einspruch. Das FA wies die Rechtsbehelfe als unbegründet zurück und hob darüber hinaus die Einkommensteuerbescheide auf (Einspruchsentscheidung vom 28.5.2002). Das FA führte aus, der Kl habe in den Streitjahren ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezogen. Die Voraussetzungen für eine Einkommensteuerveranlagung lägen nicht vor. Ein Antrag auf Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 des Einkommensteuergesetzes (EStG) setze eine rechtswirksame Einkommensteuererklärung voraus. Eine solche sei von beiden Ehegatten eigenhändig zu unterschreiben. Im Streitfall fehle die Unterschrift der früheren Ehefrau. Wegen des Ablaufs der Antragsfrist komme auch eine Einzelveranlagung nicht in Betracht. Die Steuerbescheide für die Jahre 1997 und 1998 seien daher aufzuheben.

Zur Begründung der anschließend erhobenen Klage wird im Wesentlichen vorgetragen:

Beantrage nur einer der beiden Ehegatten die Zusammenveranlagung, so sei nach § 26 Abs. 3 EStG zu unterstellen, dass die Zusammenveranlagung gewählt worden sei. Hierbei handele es sich um eine unwiderlegliche gesetzliche Vermutung. Da das FA das Einverständnis der früheren Ehefrau hätte unterstellen müssen, sei auch die Antragsfrist des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG gewahrt.

Der Kl beantragt,

das FA zu verpflichten, für die Streitjahre 1997 und 1998 die Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer durchzuführen und entsprechende Einkommensteuerbescheide zu erlassen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, die Revision zum Bundesfinanzhof zuzulassen.

Am 12.8.2003 hat der Berichterstatter einen Gerichtsbescheid erlassen, gegen den das FA rechtzeitig Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt hat.

Am 21.10.2003 hat in der Streitsache zur mündlichen Verhandlung stattgefunden. Hierzu wird auf die Niederschrift verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Klage ist begründet. Das FA hat es rechtsfehlerhaft abgelehnt, eine Einkommensteuerveranlagung durchzuführen und die Steuer unter Anwendung des Splittingtarifs festzusetzen.

1. Im Streitfall hat der Kl einen Anspruch auf Durchführung eines Veranlagungsverfahrens für das jeweilige Streitjahr. Nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG ist eine Veranlagung u.a. dann durchzuführen, wenn sie beantragt wird, insbesondere zur Anrechnung von Lohnsteuer auf die Einkommensteuer. Der Antrag ist bis zum Ablauf des auf den Veranlagungszeitraum folgenden zweiten Kalenderjahres durch Abgabe einer Einkommensteuererklärung zu stellen.

Der Kl hat für beide Streitjahre innerhalb der Antragsfrist von ihm unterschriebene Einkommensteuererklärungen eingereicht und hat damit jeweils einen Antrag auf Veranlagung gestellt. Entgegen der Rechtsansicht des FA sind die Anträge nicht etwa deshalb unwirksam, weil sie nicht von beiden Ehegatten unterschrieben worden sind. Bereits das Beispiel der getrennten Veranlagung zeigt, dass ein Antragsverfahren nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG nicht nur bei einer gemeinsam unterschriebenen Steuererklärung eröffnet ist.

2. Die fehlende Unterschrift der früheren Ehefrau hindert nicht die Zusammenveranlagung nach § 26b EStG. Nach § 25 Abs. 3 Satz 2, 5 EStG haben zwar Ehegatten für den Fall der Zusammenveranlagung eine gemeinsame Einkommensteuererklärung abzugeben, die von beiden Ehegatten eigenhändig zu unterschreiben i...

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