rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Entziehung von Branntwein aus dem Steueraussetzungsverfahren. Steuerschuldner bei Steuerhinterziehung
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Ware wird dem Steueraussetzungsverfahren entzogen, wenn bei der Ausgangszollstelle eine andere als die in das Verfahren der Steueraussetzung überführte Ware angemeldet wird und hierbei entsprechend gefälschte Versandpapiere vorgelegt werden.
2. Entzieher, und damit Steuerschuldner, ist i.d.R. derjenige, der sich als Mittäter an der damit verbundenen Steuerhinterziehung strafbar gemacht hat. Die für eine strafrechtliche Verurteilung erforderliche Erfüllung des subjektiven Tatbestands einer Steuerhinterziehung ist nicht Tatbestandsmerkmal des § 143 Abs. 4 Satz 2 BranntwMonG.
Normenkette
BranntwMonG § 141 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 143 Abs. 1, 4 S. 2; ZK Art. 203 Abs. 3
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob der Beklagte den Kläger zu Recht als Schuldner von Branntweinsteuer in Anspruch genommen hat.
Der Kläger übernahm als Frachtführer (Spediteur) am 19. Oktober und 10. November 1998 bei der D in Frankreich jeweils eine Sendung mit 24.200 Liter 96%igen Alkohol zur Ausfuhr aus der Europäischen Gemeinschaft unter Steueraussetzung über Deutschland in die Ukraine. In den begleitenden Verwaltungsdokumenten (bVd) Nr. 95088586 und 95088703 war als Bestimmungsstelle jeweils das Zollamt W angegeben. Fahrer der Transporte war X.
Nach den Feststellungen des HZA wurde der Alkohol jedoch unter Vorlage gefälschter Ausfuhrpapiere, die tatsachenwidrig auf Reibeputz lauteten, am 22. Oktober und 14. November 1998 zur Ausfuhr an das Zollamt Z verbracht und ausgeführt.
Das Amtsgericht verurteilte den Kläger durch rechtskräftiges Urteil vom 21. Januar 2003 u.a. wegen seiner Beteiligung an den hier streitgegenständlichen Transporten wegen bandenmäßiger und gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung, weil er sich bewusst und gewollt am gemeinschaftlich und arbeitsteilig organisierten Alkoholschmuggel einer international organisierten und operierenden Bande beteiligt hat (Fälle Nr. 4 und 7 des Strafurteils). Der Verurteilung des Klägers liegen folgende Feststellungen zugrunde: „Auf dem Weg in die Ukraine durch die Bundesrepublik Deutschland wurden die die Alkoholtransporte begleitenden Unterlagen gegen gefälschte Ausfuhr- und Frachtpapiere über Gemeinschaftsgut (insbesondere Baumaterialien wie Reibeputz und Teppichbodenfixierung) ausgetauscht, wobei diese Papiere mit gefälschten Stempeln der angeblich jeweils beteiligten Lieferanten, Speditionen und Hauptzollämter versehen worden waren. Diese gefälschten Fracht- und Ausfuhrpapiere wiesen die jeweiligen Fahrer bei der Ausfuhr aus der Bundesrepublik Deutschland in die Tschechische Republik vor … In Kenntnis all dieser Umstände stellte der Kläger Fahrzeuge seiner Spedition und Kraftfahrer entsprechend der Bestellungen seiner Auftraggeber zum Alkoholschmuggel zur Verfügung, wobei er teilweise seine Kraftfahrer mittels Mobilfunktelefon zu den ihm vorgegebenen Orten dirigierte bzw. die von den Auftraggebern festgelegten Fahrtrouten und Abläufe bestätigte.”
Nach Auffassung des Amtsgerichts handelte der Kläger dabei als Mitglied einer Organisation, die sich zum Zwecke des wiederholten Begehens der Steuerhinterziehung verbunden hatte, wobei er jeweils mit anderen Angehörigen dieser Organisation zusammenwirkte. Bei der Bemessung des Strafrahmens berücksichtigte das Amtsgericht zu Gunsten des Klägers, dass er den Sachverhalt gestanden und seinen eigenen Tatbeitrag schonungslos offenbart hatte.
Der Fahrer X wurde durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts vom 29. November 2000 ebenfalls wegen Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit der Beteiligung an den streitgegenständlichen Transporten verurteilt.
Das HZA forderte deshalb mit den Steuerbescheiden vom 27. Januar und 5. Februar 2004 vom Kläger als Transporteur des Alkohols jeweils Branntweinsteuer i.H.v. 302.897,49 EUR (insgesamt 605.794,98 EUR) an.
Nach erfolglosem Einspruch erhob der Kläger gegen die Einspruchsentscheidung vom 4. April 2006 Klage, mit der er im Wesentlichen geltend macht, dass er nicht im Rahmen eines gemeinsamen Tatplans mit Dritten tätig gewesen sei. Dies ergebe sich weder aus den Ermittlungsunterlagen noch aus der Aussage des Fahrers. Selbst wenn es zutreffend wäre, dass er seinem Fahrer aufgegeben habe, Anweisungen zu befolgen, so würde dies keine Steuerschuld begründen, da völlig offen wäre, welche Vorstellungen er mit der Vorgehensweise Dritter verbunden habe. Er habe keinesfalls in Erwägung gezogen, Handlungen zu begehen oder zu fördern, die ihn als „Entzieher” im Sinne des Branntweinmonopolgesetzes charakterisieren könnten. Sein Geständnis vor dem Amtsgericht habe er aus taktischen Erwägungen vortragen lassen. Das Finanzgericht könne sich aufgrund der Umstände, unter denen das amtsgerichtliche Urteil zu Stande gekommen sei, nicht per se auf das Zutreffen oder Nichtzutreffen des dort abgeurteil...