Entscheidungsstichwort (Thema)
Inanspruchnahme des Bürgen
Leitsatz (redaktionell)
Die Bekanntgabe der Absicht, die Sicherheit zu verwerten, eine Sonderform des Leistungsgebots nach § 254 AO, ist ein mit Einspruch anfechtbarer Verwaltungsakt, jedoch nur gegenüber dem Vollstreckungsschuldner.
Normenkette
AO §§ 33, 253-254, 327
Tenor
1. Der Bescheid vom 17. Oktober 2001 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. Juni 2003 wird aufgehoben.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob die Bekanntgabe der Verwertungsabsicht durch Verwaltungsakt rechtmäßig ist.
Auf Antrag der Klägerin vom 9. Oktober 1991 wurde ihr die Zulassung der Zollabfertigung zum freien Verkehr nach vereinfachter Zollanmeldung im fremden Namen mit Wirkung vom 28. Oktober 1991, Zulassungsnummer 5000/S 2/82, geändert durch Bewilligung DE/8900/S 2/0082 vom 21. Januar 1999, Neufassung der Bewilligung vom 8. Dezember 1999, bewilligt.
Nach dieser Bewilligung hatte die Klägerin die Zollanträge und die vereinfachten Zollanmeldungen bei bestimmten Zollstellen sowie am 10. Tag nach dem Abrechnungszeitraum die Sammelzollanmeldungen getrennt für jeden Anmelder beim HZA als zentraler Abrechnungszollstelle abzugeben, die Einfuhrabgaben zu zahlen und für die Zollanmeldungen im fremden Namen Sicherheit für die Einfuhrabgaben zu leisten.
Die Klägerin hatte eine ausreichende Sicherheitsleistung für die o.a. Einfuhrabgaben (mit Ausnahme der Einfuhrumsatzsteuer), die durchschnittlich im Zeitraum von 1 1/2 Monaten entstehen, zur Verfügung zu stellen. Die Sicherheitsleistung von anfangs 200.000 DM wurde 1996 auf 357.000 DM, 1998 auf 400.000 und 520.000 DM und 1999 auf 560.000 DM erhöht.
In den Monaten August, Oktober und November 1997 ließ die … Stuttgart … mit vereinfachten Zollanmeldungen Früchte (Sauerkirschen, Zwetschgen und Brombeeren) zum freien Verkehr abfertigen. In deren Namen und Vollmacht erstellte die Klägerin die Sammelzollanmeldungen, berechnete die Einfuhrabgaben selbst und gab diese Anmeldungen termingerecht beim HZA ab.
Die Abgaben wurden von der … nicht entrichtet. Mit Schreiben des Amtsgerichts Stuttgart vom 29. Juni 1998 wurde dem HZA Heilbronn (Vollstreckungs-HZA) mitgeteilt, dass über das Vermögen der … durch rechtskräftigen Beschluss vom 2. April 1998 das Konkursverfahren mangels Masse gemäß § 107 KO abgewiesen worden sei.
Mit Schreiben vom 17. Oktober 2001 unterrichtete das HZA die Klägerin über den Sachverhalt und forderte sie auf, die noch ausstehenden Einfuhrabgaben in Höhe von 13.189,60 EUR (25.796,60 DM) bis zum 9. November 2001 zu überweisen, um einen Rückgriff auf die Sicherheit zu vermeiden. Nach einer letztmaligen Zahlungsaufforderung vom 29. November 2002 zahlte die Klägerin den angeforderten Betrag beim HZA ein.
Nach erfolglosem Einspruch gegen die mitgeteilte Verwertungsabsicht erhob die Klägerin gegen die Einspruchsentscheidung vom 16. Juni 2003 Klage, mit der sie im Wesentlichen Folgendes geltend macht:
Alleiniger Abgabenschuldner sei die …, die die Klägerin im Rahmen einer direkten Stellvertretung ordnungsgemäß vertreten habe. Im Übrigen seien gegenüber der Klägerin die str. Abgaben, die im Jahre 1997 entstanden seien, verjährt, weil der Bescheid über die eigene Zahlungsverpflichtung der Klägerin erst am 17. Oktober 2001 ergangen sei. Innerhalb der Frist des Art. 221 Zollkodex (ZK) sei gegenüber der Klägerin keine Mitteilung erfolgt. Die Formulierung der Bürgschaftsurkunde verstoße gegen § 307 BGB. Die Klägerin habe diese Vereinbarung nur deshalb akzeptieren müssen, weil sie wegen ihres Geschäftsbetriebs unbedingt auf die Zulassung im vereinfachten Zollanmeldeverfahren angewiesen sei. Nicht bestimmt sei, wie das HZA in der Beitreibung vorzugehen habe und wann es den Sicherungsgeber in Anspruch nehmen könne. Die Inanspruchnahme der Klägerin laufe der Verpflichtung des HZA aus Art. 232 Abs. 1 Buchst. a ZK zuwider. Hiernach habe das HZA für den Fall, dass die … als Zollschuldner den Abgabenbetrag nicht rechtzeitig entrichte, von allen nach den geltenden Vorschriften zu Gebote stehenden Möglichkeiten einschließlich der Zwangsvollstreckung Gebrauch machen müssen, um die Entrichtung des Abgabenbetrags vom Zollschuldner zu erreichen. Das HZA habe nicht dargelegt, dass es die Beitreibung der Außenstände ordnungsgemäß durchgeführt habe. In der Einspruchsentscheidung sei der Klägerin verweigert worden, die Rechte aus der Teilnahme am Konkursverfahren durch Abtretung zu erlangen. Das HZA habe die Beitreibung nicht zeitnah und konsequent betrieben, obwohl Anzeichen von Zahlungsschwierigkeiten der … vorgelegen hätten. Insbesondere läge ein Verstoß gegen die Verpflichtung aus der Verfahrensanweisung VSF N 57 2000 Nr. 434 vor, nach erfolgloser Vollstreckung ...