Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtigkeit von Steuerbescheiden bei Schätzung

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine Willkür-oder Strafschätzung führt zur Nichtigkeit des Steuerbescheids.

So kann es sich verhalten, wenn das Schätzungsergebnis trotz vorhandener Möglichkeiten, den Sachverhalt aufzuklären und Schätzungsgrundlagen zu ermitteln, krass von den tatsächlichen Gegebenheiten abweicht und in keiner Weise erkennbar ist, dass überhaupt und ggf. welche Schätzungserwägungen angestellt wurden.

 

Normenkette

AO 1977 § 125 Abs. 1, § 162

 

Tatbestand

I.

Streitig ist die Einkommensteuer 1994 – 1999 und die Umsatzsteuer für 1996. Nachdem jeweils, wie für alle Veranlagungszeiträume ab 1989, keine Steuererklärungen abgegeben wurden ergingen jeweils geschätzte Bescheide gemäß § 162 AO:

Einkommensteuerbescheid für

vom:

geändert

(Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben):

1994

22.8.1996

1.10.1998

1995

22.8.1996

1.10.1998

1996

1.10.1998

5.3.2001

1997

1.10.1998

5.3.2001

1998

2.10.2000

5.3.2001

1999

2.10.2000

5.3.2001

Umsatzsteuerbescheid für 1996

1.10.1998

5.3.2001

Im Einzelnen schätzte das FA wie folgt:

ursprünglicher Bescheid

geänderter Bescheid

Einkommensteuer 1994:

Einkünfte aus Gewerbebetrieb:

25.000

30.000

Einkünfte aus VuV:

5.000

5.000

Gesamtbetrag der Einkünfte:

30.000

35.000

ab Sonderausgaben-Pb:

108

108

Einkommen/zu versteuerndes Einkommen:

29.892

34.892

festzusetzende Einkommensteuer:

5.326

6.650

Einkommensteuer 1995:

Einkünfte aus Gewerbebetrieb:

30.000

40.000

Einkünfte aus VuV:

5.000

5.000

Gesamtbetrag der Einkünfte:

35.000

45.000

ab Sonderausgaben-Pb:

108

108

Einkommen/zu versteuerndes Einkommen:

34.892

44.892

festzusetzende Einkommensteuer:

6.650

9.513

Einkommensteuer 1996:

Einkünfte aus Gewerbebetrieb:

20.000

nur Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben, keine sonstigen Änderungen

Einkünfte aus Kapitalvermögen:

38.900

Einkünfte aus VuV

5.000

Gesamtbetrag der Einkünfte:

63.900

ab Sonderausgaben-Pb:

108

Einkommen/zu versteuerndes Einkommen:

63.792

festzusetzende Einkommensteuer:

15.758

Einkommensteuer 1997:

Einkünfte aus Kapitalvermögen = Gesamtbetrag der Einkünfte:

48.900

78.900

ab Sonderausgaben-Pb:

108

108

Einkommen/zu versteuerndes Einkommen:

48.792

78.792

festzusetzende Einkommensteuer:

10.678

21.493

Einkommensteuer 1998:

Einkünfte aus Gewerbebetrieb:

10.000

10.000

Einkünfte aus Kapitalvermögen:

53.900

78.900

Gesamtbetrag der Einkünfte:

63.900

88.900

ab Sonderausgaben-Pb:

108

108

Einkommen/zu versteuerndes Einkommen:

63.792

88.792

festzusetzende Einkommensteuer:

15.759

25.688

Einkommensteuer 1999:

Einkünfte aus Gewerbebetrieb:

15.000

15.000

Einkünfte aus Kapitalvermögen:

58.900

78.900

Gesamtbetrag der Einkünfte:

73.900

93.900

ab Sonderausgaben-Pb:

108

108

Einkommen/zu versteuerndes Einkommen:

73.792

93.792

festzusetzende Einkommensteuer:

19.455

27.845

Umsatzsteuer 1996:

Lieferungen und Leistungen zu 15 v.H.:

30.000

nur Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben, keine sonstigen Änderungen

Steuer:

4.500

Vorsteuer- und Kürzungsbeträge:

0

Umsatzsteuer:

4.500

alle Beträge in DM

Einspruch wurde gegen keinen der genannten Bescheide eingelegt.

Mit Schreiben vom 22. Juni 2001 begehrte der Kläger die „formelle” Aufhebung aller genannten Steuerbescheide wegen Nichtigkeit, denn bei den Schätzungen handele es sich jeweils um unzulässige Strafschätzungen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das genannte Schreiben verwiesen.

Mit Bescheid vom 28. September 2001 lehnte der Beklagte (das Finanzamt – FA –) diesen Antrag ab. Der Einspruch dagegen datiert vom 26. Oktober 2001.

Mit gesonderten Einspruchsentscheidungen, alle vom 14. März 2002, wurden die Einsprüche als unbegründet zurückgewiesen.

Mit Klage vom 12. April 2002 begehrt der Kläger weiterhin die Aufhebung alle Bescheide wegen Nichtigkeit. Der gesundheitlich und psychisch stark angeschlagene Kläger habe in den Streitjahren aus einem Handel mit Waren aller Art, ab 1994 zusätzlich aus einem Handel mit Kraftfahrzeugen, keine positiven Betriebsergebnisse, sondern Verluste erzielt. Dies habe er dem FA mitgeteilt und sei der Meinung gewesen, keine Steuererklärungen abgeben zu müssen. Die vom FA vorgenommenen Schätzungen seien alle fehlerhaft und willkürlich, das FA habe „ins Blaue” geschätzt. Wegen der Einzelheiten für die einzelnen Jahre wird auf den Schriftsatz des Klägervertreters vom 17. Juni 2002 Bezug genommen. Eine Schätzung müsse immer eine möglichst zutreffende Ermittlung der tatsächlichen Steuerschuld zum Ziel haben und dürfe gerade nicht dazu dienen, den Steuerpflichtigen für seine unterlassene Mitwirkung zu bestrafen. Auch wenn eine Schätzung naturgemäß an die obere Grenze eines sich ergebenden Spielraums gehen dürfe, müsse sie in einem nachvollziehbaren Rahmen liegen und in einem Rechtsbehelfsverfahren überprüfbar sein. Diese Kriterien seien bei den Schätzungen nicht beachtet worden, so seien z.B. Einkünfte für die Jahre 1994 – 1996 einer völlig sachfremden Einkunftsart zugerechnet worden. Auch habe das FA entgegen einer tendenziell einheitlichen Darstellung des Klägers zu Unrecht pos...

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