Entscheidungsstichwort (Thema)
Stärke der Ausprägung der Mitunternehmerinitiative
Leitsatz (redaktionell)
In Anwendung der Rechtsgrundsätze des Revisionsurteils (BFH, Urteil v. 25.4.2006, VIII R 74/03, BFHE 213, 358, BStBl 2006 II S. 595) und aufgrund der vom Senat getroffenen Feststellungen war die nach außen nicht allein vertretungsberechtigte, aber einzelgeschäftsführungsbefugte Klägerin unter Würdigung aller die rechtliche und wirtschaftliche Stellung der Klägerin insgesamt bestimmenden Umstände in ihrer Gesamtheit Mitunternehmerin i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG der erst im Februar 1998 voll beendeten GbR. Entgegen den Ausführungen der Beigeladenen trug die Klägerin Mitunternehmerrisiko und entfaltete Mitunternehmerinitiative insgesamt in einem Umfang, dass dadurch eine Mitunternehmerstellung der Klägerin begründet wurde.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; HGB §§ 114-115, 161 Abs. 2, §§ 155, 164, 167-168; BGB §§ 709, 714, 716, 738
Tenor
1. Unter Änderung der Aufhebungsbescheide vom 12.11.1997 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.09.1999 werden die Einkünfte aus Gewerbebetrieb der P. GmbH & O. GmbH Projektentwicklungs GbR 1994 in Höhe von -172.788 DM (Anteil der Klägerin 1.650.000 DM, Anteil der Beigeladenen -1.822.788 DM) und 1995 in Höhe von -75.257 DM (Anteil der Klägerin 1.000.000 DM, Anteil der Beigeladenen -1.075.257 DM) festgestellt.
2. Die Kosten des Verfahrens einschließlich des Revisionsverfahrens beim BFH trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
I.
Hintergrund des Rechtsstreits ist offenkundig nicht die Höhe oder die Verteilung des Gesamtgewinns der GbR, sondern die Frage, ob die auf den Gewinnanteil der Klägerin entfallende Gewerbsteuer von der Beigeladenen aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen zu tragen ist (Wacker, Anmerkung zum Bundesfinanzhof (BFH) – Urteil vom 25.04.2006 VIII R 74/03, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung – HFR – 2006, 876).
Das Verfahren befindet sich im zweiten Rechtsgang.
Die Beteiligten streiten über die Stärke der Ausprägung der Mitunternehmerinitiative seitens der Klägerin. Dabei ist auch zu klären, ob das Widerspruchsrecht (§ 711 des Bürgerlichen Gesetzbuchs – BGB –) der einzelgeschäftsführungsbefugten Klägerin gegen Geschäftsführungsmaßnahmen der Beigeladenen ausgeschlossen wurde (Wacker, Anmerkung zum BFH-Urteil vom 25.04.2006 VIII R 74/03, Neue Wirtschaftsbriefe – NWB, Fach 3, 14199). Ebenso differieren die Beteiligten in der Einschätzung des Umfangs des Mitunternehmerrisikos der Klägerin.
Die Klägerin gründete mit der Beigeladenen (einer Tochtergesellschaft der Bank, mit einer Stammeinlage von 50.000 DM) die Projektentwicklungsgesellschaft (nachfolgend GbR) mit Sitz in M. Gesellschaftszweck war der Erwerb eines Grundstücks vom Land B., die Bebauung des Grundstücks mit einem Büro- und Geschäftshaus sowie der Verkauf des bebauten Grundstücks an die geschlossene Immobilienfondsgesellschaft mit der Firmenbezeichnung R. GmbH & Co. Immobilenfonds „P.A.B.” KG.
Nach dem Gesellschaftsvertrag vom 18.08.1994 waren beide Gesellschafterinnen zur Geschäftsführung einzeln berechtigt und verpflichtet. Die Beigeladene durfte die GbR alleine vertreten, die Klägerin war nur gemeinschaftlich mit der Beigeladenen zur Vertretung berechtigt. Jede Gesellschafterin konnte den Gesellschaftsvertrag kündigen (§ 13 des Vertrags), falls der Verkäufer – das Land B. – von seiner Verkaufsabsicht abrücken oder eine zur Wirksamkeit des Kaufvertrags erforderliche Genehmigung oder Zustimmung nicht erteilt werden sollte, insbesondere die Grundstücksverkehrsgenehmigung oder die Zustimmung der JCC zum Grundstückserwerb. In diesem Fall hatten die Gesellschafterinnen die bis dahin bereits entstandenen Kosten je zur Hälfte zu tragen. Im Falle der Realisierung des Projekts sollte die Klägerin im Zeitpunkt der Übertragung des Grundstückseigentums auf die Immobilienfondsgesellschaft ausscheiden.
Zum Gesellschaftsvertrag wurde am selben Tag eine Zusatzvereinbarung über die Gesellschafterbeiträge und den Anteil der Gesellschafterinnen am Gewinn und Verlust der GbR getroffen. Danach sollte die Beigeladene die notwendigen Finanzierungsbeiträge für den Grundstückserwerb und die schlüsselfertige Herstellung des Gebäudes erbringen. Um sämtliche Vorleistungen im Zusammenhang mit dem Grundstückserwerb, der Baureifmachung des Grundstücks (einschließlich einer Abfindungsvereinbarung mit den Mietern sowie eines Gestattungsvertrags mit dem Grundstücksnachbarn) und der Architektenplanung sowie die Abwicklung sämtlicher Grundbuch- und Behördenangelegenheiten sollte sich die Klägerin kümmern. Weiter war geregelt worden, dass die Klägerin, die zur Baureifmachung bereits Anwaltsvergleiche mit den auf dem Grundstück befindlichen Mietern geschlossen ha...