rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldanspruch bei in tatsächlicher Hinsicht unrichtiger Veranlagung nach § 1 Abs. 3 EStG

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Veranlagung des Anspruchstellers nach § 1 Abs. 3 EStG steht dem Kindergeldanspruch nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG bei Nachweis des gewöhnlichen Aufenthalts im Inland nicht entgegen.

2. Ein Anspruch auf Kindergeld besteht bei der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschussrechnung nur für die Monate, in denen Einnahmen zugeflossen sind.

 

Normenkette

EStG § 1 Abs. 3, § 4 Abs. 3, §§ 11, 49 Abs. 1 Nr. 2, § 62 Abs. 1 Nrn. 1, 2 Buchst. b, § 32 Abs. 4; AO §§ 8-9, 122 Abs. 2 Nr. 1

 

Tenor

1. Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 26. Mai 2015 und des Ablehnungsbescheids vom 24. November 2014 wird die Beklagte verpflichtet, dem Kläger für seine Kinder A und B Kindergeld in voller gesetzlicher Höhe für die Monate Dezember 2012 und Juli bis Dezember 2013 zu gewähren. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zu 70 v.H. und die Beklagte zu 30 v.H.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Streitig ist das Bestehen eines Anspruchs auf Kindergeld für die Zeiträume August 2012 bis Dezember 2013, September 2014 bis Januar 2015 und Mai bis Juni 2015.

Der verheiratete Kläger ist Vater der Kinder A (geboren am 9. April 1991) und B (geb. 4. Mai 1996). Er ist polnischer Staatsangehöriger. Der gemeinsame Familienwohnsitz des Klägers, seiner Ehefrau E und der Kinder befindet sich in …, Polen (vgl. Bestätigung der polnischen Behörde vom 05.12.2014).

Der Kläger beantragte am 6. September 2013 bei der Beklagten (Familienkasse) Kindergeld. Er legte eine Gewerbeanmeldung bei der Stadt M vom 16. August 2012 (Anschrift der Betriebsstätte und Wohnanschrift: C-Str., M) und eine Meldebescheinigung der Gemeinde H vom 30. Juli 2013 (Einzugsdatum: 1. Juli 2013, Anschrift: D-Str., H) vor. Den Gegenstand seines Gewerbes bezeichnet er mit Trockenbau, Fliesenleger und Estrichleger. Da der Kläger trotz Aufforderung keine weiteren Unterlagen vorlegte, lehnte die Familienkasse mit Bescheid vom 24. November 2014 die Festsetzung von Kindergeld ab. Dagegen legte der Kläger fristgemäß Einspruch ein, der mit Einspruchsentscheidung vom 26. Mai 2015 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Die anschließend erhobene Klage ging am 10. Juli 2015 bei Gericht ein.

Aus den nunmehr vorliegenden Unterlagen ergibt sich, dass der Kläger für die Jahre 2012 und 2013 vom Finanzamt O als unbeschränkt steuerpflichtig nach § 1 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) veranlagt wurde (Einkommensteuerbescheid für 2012 vom 28. Februar 2014, Einkommensteuerbescheid für 2013 vom 10. März 2015). Ein entsprechender Passus ist ausdrücklich in den Steuerbescheiden aufgenommen. Der Kläger ermittelte seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG. Für die Jahre 2014 und 2015 ist noch keine Einkommensteuerveranlagung erfolgt. Für die Mietverhältnisse legte der Kläger Bestätigungen von Herrn F vom 9. April 2015 und von Herrn G vom 14. April 2015 vor. Darin erklärt F, dass er für die Vermietung des Zimmers in der C-Str. in M im Zeitraum August 2012 bis Juni 2013 monatlich 200 EUR in bar erhalten habe. Ebenso bestätigt G Barzahlungen von monatlich 700 EUR für die Wohnung in der D-Str. in H seit Juni 2013. Weiter liegen vom Kläger erstellte Rechnungen für die Zeiträume Dezember 2012 und Mai 2013 bis Juli 2015 vor. Kontoauszüge über Zahlungseingänge fehlen.

Hinsichtlich der persönlichen Verhältnisse reichte der Kläger die Bescheinigung E 402 über den Schul-/Hochschulbesuch von K für den Zeitraum Oktober 2012 bis voraussichtlich September 2015, ausgestellt am 21. August 2014 ein. Für B übersandte er eine Schulbescheinigung vom 19. August 2014, in der der Schulbesuch für den Zeitraum September 2013 bis voraussichtlich April 2015 bestätigt wird. Aus einer weiteren Bescheinigung vom 2. Oktober 2015 ergibt sich, dass B ab Oktober 2015 ein Hochschulstudium aufgenommen hat. Schließlich legte der Kläger eine Bestätigung der zuständigen polnischen Behörde vor, wonach er und seine Frau seit April 1991 kein polnisches Kindergeld erhalten haben.

Während des gerichtlichen Verfahrens erteilte die Familienkasse einen Teilabhilfebescheid. Sie setzte volles Kindergeld für K für den Zeitraum Februar bis Mai 2015 und für B für Februar bis April 2015 fest. Zur Begründung gab sie an, es sei nachgewiesen, dass sich der Kläger in diesen Monaten im Inland gewöhnlich aufgehalten habe. Allerdings läge für B für den Streitmonat Mai 2015 kein Nachweis über einen Tatbestand des § 32 Abs. 4 EStG vor.

Zur Begründung der Klage trägt der Kläger im Wesentlichen vor:

Er lebe seit 2012 durchgängig in Deutschland und übe seit August 2012 eine selbständige Erwerbstätigkeit aus...

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