Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermessensausübung bei Entscheidung über Einspruch des Kindergeldberechtigten gegen Bescheid über die Abzweigung des Kindergeldes an das Kind. Kein alleiniges Abstellen auf eine nachträgliche Unterhaltsleistung
Leitsatz (redaktionell)
Leistet ein Kindergeldberechtigter Monate nach Ergehen eines Unterhaltsurteils jedoch unmittelbar nach Ergehen des Bescheids über die Abzweigung von Kindergeld an das Kind für 18 Monate rückwirkend Unterhalt, der das monatliche Kindergeld übersteigt, hat die Familienkasse bei der Entscheidung über den Einspruch gegen den Abzweigungsbescheid in ihre Ermessenserwägungen den Zweck des Kindergeldes einzubeziehen. Sie kann die Rechtmäßigkeit des Abzweigungsbescheids nicht allein damit begründen, dass die nachträgliche Erfüllung der Unterhaltspflicht keine Nachzahlung von Kindergeld rechtfertigt.
Normenkette
EStG § 74 Abs. 1; AO § 5; FGO § 102
Nachgehend
Tenor
1. Der Bescheid über die Abzweigung des Kindergelds vom 26. April 2005 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 8. Juni 2005 werden aufgehoben.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
I.
Der geschiedene Kläger ist Vater der Beigeladenen (geboren am 28. Februar 1984).
Für Mai bis Juli 2003 leistete der Kläger für die Beigeladene monatlich Unterhalt von 300 EUR.
Mit Urteil des Amtsgerichts Weilheim vom 17. Dezember 2004 wurde entschieden, dass der Kläger der Beigeladenen für März bis September 2003 rückständigen Kindesunterhalt in Höhe von 2.208 EUR und ab Oktober 2003 monatlich Unterhalt in Höhe von 204 EUR zu leisten habe.
Im Februar 2004 beantragte der Kläger Kindergeld für die in Aachen studierende Beigeladene (s. Blatt 8 Kindergeld-Akte – KG-Akte –).
Am 15. Januar 2005 beantragte die Beigeladene die Auszahlung des anteiligen Kindergeldes an sie selbst, weil weder der Kläger noch ihre Mutter Unterhalt für sie leisteten (Blatt 19 KG-Akte).
Mit Bescheid vom 26. April 2005 (Blatt 43 KG-Akte) setzte die beklagte Familienkasse Kindergeld für die Beigeladene ab Januar 2003 fest. Zugleich bestimmte die Familienkasse, dass aus dem Kindergeldanspruch für die Monate Januar bis April 2003 und ab September 2003 ein Kindergeldbetrag von 154EUR monatlich an die Beigeladene abgezweigt werde, da der Kläger für diese Zeiträume keinen Unterhalt gewährt habe. Die Abzweigung sei angemessen, weil das Kindergeld insoweit für den Kindesunterhalt bestimmt sei.
Am 6. Mai 2005 zahlte der Kläger an die Beigeladene Unterhalt für Oktober 2003 und Mai 2005 (Blatt 61 KG-Akte) und am 2. Juni 2005 für November 2003 bis April 2005 sowie für Juni 2005 (Blatt 68 KG-Akte).
Den Einspruch gegen den Abzweigungsbescheid vom 26. April 2005 wies die Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom 8. Juni 2005 als unbegründet zurück. Zur Begründung führt sie aus, dass eine nachträgliche Erfüllung der Unterhaltspflicht keine Nachzahlung von Kindergeld rechtfertige. Es müssten vielmehr andauernde Unterhaltszahlungen ohne Zahlungsunterbrechung geleistet werden. Da der Kläger erst im Juni 2005 seiner Unterhaltsverpflichtung für die Monate November 2003 bis April 2005 nachgekommen sei, bestehe die getroffene Entscheidung zu Recht. Im Übrigen werde ab Juni 2005 gesondert entschieden.
Die dagegen erhobene Klage begründet der Kläger im Wesentlichen wie folgt: Er sei seiner Unterhaltspflicht nachgekommen. Er habe von Mai 2003 bis August 2003 je 300 EUR Unterhalt gezahlt und auch Kindergeld bekommen. Die Beigeladene habe eine Unterhaltsklage in Höhe von monatlich 600 EUR zuzüglich Kranken- und Pflegeversicherung erhoben. Daraufhin habe er die Unterhaltszahlungen bis zur gerichtlichen Entscheidung ausgesetzt. Eine Verletzung der Unterhaltspflicht sei nicht gegeben. Auch bei nachträglicher Erfüllung der Unterhaltspflicht sei er kindergeldberechtigt. Da er zur Zahlung des Unterhalts verpflichtet sei, sei er auf das Kindergeld angewiesen. Zudem habe er auch noch einen Sohn zu versorgen, da die Mutter nicht leistungsfähig und nach Koblenz gezogen sei.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Abzweigungsentscheidung vom 26. April 2005 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 8. Juni 2005 aufzuheben.
Die Familienkasse beantragt,
die Klage abzuweisen.
Klageerwidernd wird noch vorgetragen, dass der Kläger nur in der Zeit von Mai bis August 2003 laufend Unterhalt geleistet habe. In der übrigen Zeit bis April 2005 seien tatsächlich keine laufenden regelmäßigen Unterhaltszahlungen erfolgt. Der Kläger habe lediglich Kontoauszüge vorgelegt, nach denen er im Mai 2005 eine Zahlung für Oktober 2003 und Mai 2005 und im Juni 2005 eine Nachzahlung für die Zeit von N...