Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderung der Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung wegen nachträglich bekannt gewordenen Tatsachen
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Steuerpflichtiger handelt regelmäßig grob schuldhaft i. S. d. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO, wenn ausdrückliche Nachfragen einer Finanzbehörde nicht beantwortet werden.
2. Der Kindergeldberechtigte kann nicht davon ausgehen, dass es ausreichend ist, die Kindergeldangelegenheit allein einer Klärung durch die ehemalige Ehefrau und Mutter des Kindes zu überlassen, nur weil auf deren Girokonto das Kindergeld überwiesen wird.
3. Die Bestandskraft eines nicht angefochtenen Bescheides, durch den eine Kindergeldfestsetzung aufgehoben wird, erstreckt sich in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich bis zum Ende des Monats seiner Bekanntgabe.
Normenkette
AO § 173 Abs. 1 Nr. 2; EStG § 31 S. 3
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist die Bindungswirkung eines Aufhebungsbescheides für die Zukunft.
I.
Der Kläger ist der Vater des Kindes XXX (geboren am […] 1986). Dem Kläger wurde für XXX laufend Kindergeld gewährt. Mit Schreiben vom 29. September 2008 teilte die ehemalige Ehefrau des Klägers der Beklagten – der Familienkasse (FK) – mit, dass XXX ab dem 1. Oktober 2008 in [… Asien] Phnom Penh für die Gesellschaft [… GGG] ein halbes Jahr (1 Semester) tätig sein werde und deshalb sein Studium unterbrechen werde.
Mit Schreiben vom 7. Oktober 2008 forderte die FK vom Kläger u.a. Angaben zu den Einkünften von XXX für die Jahre 2007 und 2008 sowie Studienbescheinigungen ab dem Wintersemester 2007/2008. Mit Bescheid vom 24. November 2008 hob die FK die Kindergeldfestsetzung ab dem Monat Januar 2007 auf. Die Aufhebung begründete die FK damit, dass die mit dem Schreiben vom 7. Oktober 2008 angeforderten Unterlagen nicht eingereicht worden seien. Es könne deshalb nicht festgestellt werden, ob ab dem genannten Zeitpunkt Anspruch auf Kindergeld bestehe. Außerdem forderte die FK das ausgezahlte Kindergeld für den Zeitraum von Januar 2007 bis September 2008 in Höhe von 3.234 EUR zurück.
Mit Schreiben vom 7. Januar 2009, das bei der FK am 9. Januar 2009 eingegangen ist, teilte der Kläger der FK mit, dass seine von ihm geschiedene Ehefrau der FK rechtzeitig mitgeteilt habe, dass XXX seit dem 27. September 2008 ein Praktikum bei der GGG in [… Asien] absolviere und XXX bis einschließlich Sommersemester 2008 an der […Universität … Geographie] studiert habe und dieses Studium zum Wintersemester 2009/2010 fortsetzen werde. Mit Schreiben vom 14. Januar 2009 legte die geschiedene Ehefrau des Klägers der FK Teile der angeforderten Unterlagen vor. Mit Schreiben vom 6. Mai 2009 fordert die FK nochmals Unterlagen beim Kläger an. Darauf legte der Kläger unter anderem eine Bestätigung der [… Universität] vom 11. März 2009 vor, aus der sich ergibt, dass der Aufenthalt in [… Asien] eine notwendige Zulassungsvoraussetzung für den Masterstudiengang [… Geographie] ist. Außerdem legte er eine Bescheinigung der GGG vor, in der bestätigt wird, dass XXX vom 1. Oktober 2008 bis 31. März 2009 in [… Asien] als Praktikant tätig war.
Mit Bescheid vom 12. Juni 2009 lehnte die FK den formlosen Antrag des Klägers auf Kindergeldfestsetzung vom 9. Januar 2009 ab. Die Entscheidung begründete die FK damit, dass die für die Entscheidung über den Kindergeldanspruch notwendigen Unterlagen bisher nicht eingereicht worden seien. Auf den Einspruch des Klägers mit Schreiben vom 4. Juli 2009 hob die FK mit Verwaltungsakt vom 29. Juli 2009 den Bescheid vom 12. Juni 2009 auf und teilte dem Kläger mit, dass über den Antrag auf Kindergeld in einem gesonderten Bescheid neu entschieden werde.
Mit amtlichem Vordruck vom 10. August 2009 beantragte der Kläger erneut Kindergeld. Mit Bescheid vom 20. August 2009 setzte die FK gegenüber dem Kläger für XXX ab Dezember monatliches Kindergeld fest. Die Entscheidung begründete die FK damit, dass mit Bescheid vom 24. November 2008 die Kindergeldfestsetzung aufgehoben worden sei. Dieser Bescheid sei rechtskräftig geworden, da ein Einspruch erst im Januar 2009 eingelegt worden sei. Die Kindergeldfestsetzung könne deshalb erst wieder ab dem Folgemonat aufgenommen werden. Mit Schreiben vom 3. September 2009 erhob der Kläger Einspruch gegen den Bescheid vom 20. August 2009, soweit darin die Festsetzung von Kindergeld für den Zeitraum vor Dezember 2008 abgelehnt worden war. Der Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 25. Januar 2010). Die FK war der Auffassung, dass der Aufhebungsbescheid vom 24. November 2008 nicht geändert werden könne, da die Voraussetzungen keiner Korrekturvorschrift erfüllt seien. Insbesondere würde eine Korrektur nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) ausscheiden, denn den Kläger würde grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden der maßgeblichen Tatsachen und Beweismittel treffen. Die Unterlagen zur Festsetzung des Kindergeldanspruchs seien erst am 9. Januar und damit nach Ablauf der Einspruchsfrist eingere...