Entscheidungsstichwort (Thema)

Kirchensteuererhebung durch die Evang.-Luth. Kirche in Bayern. Freie Religionsausübung. Demokratiegebot. Kirchenartikel der WRV und der BV. Richtervorlage an das BVerfG. Kirchensteuer 1998. Kirchensteuer-Vorauszahlung 1999, 2000, 2001

 

Leitsatz (amtlich)

Die Befugnis der Evang.-Luth. Kirche in Bayern, Umlagen von ihren Mitgliedern (insbes. Kirchensteuer) zu erheben, verstößt weder gegen Grundrechte des Kirchenmitglieds (insbes. Art. 4 Abs. 1 GG) noch gegen das Demokratiegebot.

 

Normenkette

BayKirchStG Art. 1 Abs. 1; GG Art. 4 Abs. 1, Art. 20 Abs. 2, Art. 140 i.V.m; WRV Art. 136 ff.; BV Art. 107 Abs. 1-2, Art. 142 ff.; GG Art. 100 Abs. 1

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger gehört der Evang.-Luth. Kirche Bayerns an.

Mit Steuerbescheid vom 15. Juni 2000 wurde vom Beklagten (Evang.-Luth. Kirchensteueramt – KiStA –) die Kircheneinkommensteuer (KiESt) 1998 nach den Berechnungsgrundsätzen für konfessionsverschiedene Ehen auf 15.530,96 DM festgesetzt. Unter Anrechnung der im Abzugswege erhobenen Kirchenlohnsteuer 1998 i. H. v. 10.522,20 DM verblieb eine noch zu entrichtende Kirchensteuer (KiSt) von (gerundet) 5.008,70 DM, die zwischenzeitlich durch Zahlung ausgeglichen wurde.

Gleichzeitig wurden die KiESt-Vorauszahlungen (VZ) 1999 auf 5.933,20 DM sowie die KiESt-VZ 2000 pro Quartal auf 1.477,60 DM festgesetzt und mittlerweile durch Bescheid vom 10. November 2000 auf eine Jahres-VZ von 2.955,20 DM geändert. Durch eine Zahlung von 5.933,20 DM sind die KiESt-VZ 1999 mittlerweile ausgeglichen. Hinsichtlich der KiESt-VZ 2000 besteht aufgrund der Zahlung von 3.342 DM nunmehr eine Überzahlung von 386,80 DM. Außerdem wurde mit Bescheid vom 15. November 2000 die KiESt-VZ für 2001 auf 0 DM herabgesetzt. Gegen den o.g. Bescheid legte der Kläger mit der Begründung Einspruch ein, dass die Hebesätze für die KiSt in den einzelnen Bundesländern nicht einheitlich seien und es dort die Möglichkeit der Kappung gebe. Weiterhin trug er vor, dass das Grundgesetz (GG) und auch die Bayerische Verfassung (BV) die Religionsfreiheit und die Ausübung der Religion zusicherten. Hinsichtlich der Zahlung der KiSt sei diese aber nicht gegeben, da es ihm nicht möglich sei, eine KiSt sowohl an die Röm. Kath. als auch an die Evang.-Luth. Kirche zu zahlen. Unter Hinweis auf das in Italien angewandte Verfahren sehe er sich durch die KiSt-Gesetzgebung innerhalb der Bundesrepublik Deutschland (BRD) benachteiligt und in seinem Grundrecht auf Religionsfreiheit (Art. 4 GG) beschnitten.

Der Einspruch blieb erfolglos (s. die Einspruchsentscheidung –EE– vom 20. Dezember 2000, Bl. 2 – 5 FG-Akte).

Mit seiner Klage macht der Kläger zusätzlich geltend, die KiSt-Festsetzung sei unzulässig, weil Art. 1 des Bayerischen Kirchensteuergesetzes (KirchStG) gegen Art. 10 Abs. 1 und 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Charta EU) verstoße. Auf den Schriftsatz vom 14. Mai 2001 wird verwiesen.

Der Kläger beantragt,

den KiSt-Bescheid 1998 sowie die KiSt-VZ-Bescheide 1999 – 2000 in Gestalt der EE vom 20. Dezember 2000 aufzuheben; hilfsweise, die Revision zuzulassen; hilfsweise, das Verfahren bis zur Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs über folgende Fragen auszusetzen:

  1. Verstößt Art. 1 Abs. 1 KirchStG, wonach Kirchen und Religionsgemeinschaften sowie weltanschauliche Gemeinschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, berechtigt sind, Steuern (Kirchensteuern) zu erheben, gegen Art. 10 Abs. 1 Charta EU?
  2. Verstößt Art. 1 Abs. 1 KirchStG außerdem gegen Art. 21 Abs. 1 Charta EU? Weiterhin hilfsweise,

    das Verfahren gem. Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen, bis über die Rüge entschieden ist, dass Art. 1 Abs. 1 KirchStG gegen das Demokratiegebot des Art. 20 Abs. 2 GG verstößt.

Das KiStA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es tritt im Schriftsatz vom 18. Juni 2001 der Argumentation des Klägers entgegen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Klage ist unbegründet.

1. Zu Recht hat das KiStA gegen den Kläger KiSt und VZ für die Streitjahre festgesetzt.

Das Besteuerungsrecht der Religionsgemeinschaften gegenüber ihren Mitgliedern gem. Art. 1 Abs. 1 KirchStG steht mit dem GG und der BV voll in Einklang. Dies folgt aus Art. 140 GG i.V.m. Art. 136 ff. der Weimarer Verfassung –WRV– (insbes. Art. 137 Abs. 6) und Art. 142 ff. BV (insbes. Art. 143 Abs. 3). Diese Vorschriften stellen eine zulässige Einschränkung des Grundrechts auf freie Religionsausübung in Art. 4 Abs. 1 GG bzw. Art. 107 Abs. 1, 2 BV dar. Es ist doch nur recht und billig, dass man an die Kirche, deren Mitglied man ist und deren religiöse Dienste man in Anspruch nehmen darf, auch etwas zahlen muss.

Der Bundesfinanzhof (BFH) vertritt hierzu die Auffassung, dass nur die Steuererhebung bei den eigenen Mitgliedern den verfassungsrechtlichen Vorgaben entspricht (Urteil vom 8. Mai 1991 I R 26/86, BFH E 164, 573). Die Zahlung einer KiSt als Zwangsbeitrag ist demnach grundsätzlich nur an die Religionsgemeinschaft möglich und zulässig...

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