Entscheidungsstichwort (Thema)
Berichtigung der Bescheide über die gesonderte Feststellung des steuerlichen Einlagekontos wegen offenbarer Unrichtigkeit
Leitsatz (redaktionell)
Die Frage, ob die Zuführung zur Kapitalrücklage einen Zugang bei der besonderen Feststellung des steuerlichen Einlagekontos auslöst, erfordert eine rechtliche Würdigung des Sachverhalts. Ein Automatismus dahingehend, dass sich eine Rücklage stets auf dem Einlagekonto wiederspiegeln muss, besteht nicht. Vorliegend ist daher nicht nur die rein theoretische, sondern die konkrete Möglichkeit eines Rechtsirrtums gegeben, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass der zuständige Bearbeiter des FA trotz des Bilanzansatzes „andere Zuzahlung in das Eigenkapital” davon ausgegangen ist, dass ein entsprechender Eintrag in die Feststellungserklärung nicht zu erfolgen hat.
Normenkette
AO § 129; KStG § 27
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob die Bescheide über die gesonderte Feststellung des steuerlichen Einlagekontos nach § 27 Abs. 2 Satz 1 Körperschaftsteuergesetz (KStG) und des Sonderausweises nach § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG zum 31. Dezember 2012, zum 31. Dezember 2013 und zum 31. Dezember 2014 wegen offenbarer Unrichtigkeit geändert werden müssen.
Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft mit Sitz in München. Der Gegenstand ihres Unternehmens besteht in dem Vertrieb von biometrischen Produkten, Software, Elektronik sowie Erbringen aller damit im Zusammenhang stehender Dienstleistungen einschließlich Beratung, Engineering und Softwareentwicklung. Die Gesellschaft befindet sich seit 10. Januar 2013 in Liquidation. Alleingesellschafterin der Klägerin ist die H AG.
Nachdem das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen für das Jahr 2012 zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung geschätzt hatte (vgl. Bescheide vom 13. Mai 2014), übermittelte die Klägerin im dagegen gerichteten Einspruchsverfahren am 15. Juli 2014 die Steuererklärungen für das Jahr 2012 elektronisch und gab den Jahresabschluss zum 31. Dezember 2012 am 17. Juli 2014 beim Finanzamt ab. Dabei wurde das steuerliche Einlagekonto in der Erklärung zur gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagekontos zum 31. Dezember 2012 wie im Vorjahr in Höhe von 0 EUR erklärt. In dem Anhang zum Jahresabschluss zum 31. Dezember 2012 wurde erläutert, dass die Gesellschafterin eine Einlage in die Kapitalrücklage nach § 272 Abs. 2 Handelsgesetzbuch (HGB) geleistet habe, bei der es sich um eine „andere Zuzahlung in das Eigenkapital” handle. In der Bilanz wurde die Kapitalrücklage mit … EUR angegeben. Aus der vorgelegten Summen- und Saldenliste war unter anderem ersichtlich, dass ein Darlehen eines Investors über … EUR sowie Darlehen der H AG über … EUR und … EUR umgebucht worden waren.
Das Finanzamt nahm mit Änderungsbescheid vom 12. August 2014 eine erklärungsgemäße Veranlagung vor und stellte das steuerliche Einlagekonto zum 31. Dezember 2012 mit 0 EUR fest. Gleichzeitig hob es den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Die Klägerin legte gegen den Bescheid keinen Einspruch ein.
In den Steuererklärungen 2013 und 2014, die am 7. Januar 2015 (2013) und 29. Juni 2015 (2014) beim Finanzamt abgegeben wurden, wurde das steuerliche Einlagekonto zum Schluss des jeweiligen Wirtschaftsjahres ebenfalls jeweils in Höhe von 0 EUR erklärt und vom Finanzamt entsprechend mit Bescheiden vom 10. März 2015 (2013) und 20. Juli 2015 (2014) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgestellt.
Mit Schreiben vom 27. Juli 2015 beantragte die Klägerin beim Finanzamt, den Bescheid vom 13. Mai 2014 über die gesonderte Feststellung des steuerlichen Einlagekontos zum 31. Dezember 2012 und des Sonderausweises nach § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG wegen offenbarer Unrichtigkeit zu ändern und das steuerliche Einlagekonto mit … EUR festzustellen. Mit Bescheid vom 29. Juli 2015 lehnte das Finanzamt die beantragte Änderung ab. Im dagegen gerichteten Einspruchsverfahren trug die Klägerin vor, dass die Unrichtigkeit des Ansatzes des steuerlichen Einlagekontos in der Feststellungserklärung offenbar gewesen sei, da sich aus dem eingereichten Jahresabschluss zum 31. Dezember 2012 ergeben habe, dass der Gesellschaft eine Kapitalrücklage in Höhe von … EUR aufgrund einer Einzahlung der Muttergesellschaft auf ein Konto der Klägerin als eine nicht in das Nennkapital geleistete Einlage i.S.d. § 27 Abs. 1 KStG zugeflossen sei. In der Bilanz sei in der Spalte „Vorjahr” der Wert der Kapitalrücklage mit 0 EUR ausgewiesen worden. Das Finanzamt habe die versehentlich unterlassene Angabe beim steuerlichen Einlagekonto übernommen.
Mit Schreiben vom 19. August 2015 legte die Klägerin Einspruch gegen die Bescheide über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach §§ 27, 28 KStG zum 31. Dezember 2013 und 31. Dezember 2014 vom 10. März 2015 (2013) und 20. Juli 2015 (2014) ein. Mit Einspruchsentscheidung vom 6. Oktober 2015 verwarf das Finanzamt den Einspruch gegen den Bescheid über die gesonderte Feststell...