Entscheidungsstichwort (Thema)
Irrtümliche Annahme der Betriebsaufgabe. keine Bindung an unzutreffende Auskunft der Bewertungsstelle des Finanzamts
Leitsatz (redaktionell)
Die Veräußerung des zu einem verpachteten land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehörenden Grundstücks führt zur Besteuerung des Veräußerungsgewinns, wenn die Abgabe der Aufgabeerklärung nicht feststellbar ist. Eine Bindung des FA an eine unzutreffende Auskunft der Bewertungsstelle über das Vorliegen einer Betriebsaufgabe besteht nicht. Eine rückwirkende Abgabe der Aufgabeerklärung ist nicht möglich.
Normenkette
EStG § 13 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Abs. 1, 3, § 36 Abs. 1; AO §§ 110, 163
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist die Aufgabe des landwirtschaftlichen Betriebs.
Der Kläger ist Rentner. Am 23. November 1998 erbte er von seiner Mutter als Alleinerbe u.a. einen Bauernhof in A mit Wiesen und Wald. Die zum von der Rechtsvorgängerin ehemals selbst geführten landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden Grundstücke wurden seit 1992 an verschiedene Pächter verpachtet. Im Jahr 1994 stellte das beklagte Finanzamt (das Finanzamt – FA –) Ermittlungen an, ob der landwirtschaftliche Betrieb aufgegeben worden sei, erhielt aber von der Rechtsvorgängerin die Auskunft, dass ihr Sohn (der Kläger) den Betrieb fortführen wolle. Mit Schreiben vom 4. Dezember 1995 stellte das FA fest, dass der landwirtschaftliche Betrieb ohne ausdrückliche Betriebsaufgabeerklärung als fortbestehend gelte, auch wenn er parzellenweise verpachtet werde. Es wies ferner darauf hin, dass das Fortbestehen des landwirtschaftlichen Betriebs zur Folge habe, dass insbesondere die Grundstücke Betriebsvermögen blieben und eine Realisierung der stillen Reserven erst beim Verkauf aus dem Betriebsvermögen oder durch ausdrückliche Erklärung der Betriebsaufgabe eintrete.
Der Kläger erklärte nach Eintritt der Rechtsnachfolge in seinen durch den Prozessbevollmächtigten gefertigten Steuererklärungen Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft und setzte dabei die Pachteinnahmen als Betriebseinnahmen an. In der Einkommensteuererklärung 2002, die am 15. September 2003 beim FA abgegeben wurde, erklärte er Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 258 EUR. Das FA setzte die erklärten Einkünfte im Einkommensteuerbescheid 2002 vom 6. Oktober 2003 an.
Im März 2005 gingen zwei Veräußerungsanzeigen über den Verkauf von zwei landwirtschaftlichen Grundstücken des Klägers zum Preis von 210.000 EUR und 168.000 EUR am 21. Februar 2002 bzw. 14. Mai 2002 beim FA ein. Das FA stellte fest, dass die Grundstücke zum verpachteten landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers gehörten und erließ nach vorheriger Anhörung am 12. September 2005 einen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) geänderten Einkommensteuerbescheid 2002, in dem es den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft um 330.000 EUR (Veräußerungspreis von zusammen 378.000 EUR abzüglich Anschaffungskosten von geschätzt zusammen 48.000 EUR) erhöhte.
Gegen den Änderungsbescheid legte der Kläger Einspruch ein und trug vor, dass er aufgrund eines Schreibens des Finanzamts Grundbesitz und Verkehrssteuern vom 22. Mai 1997, auf das hinsichtlich der Einzelheiten Bezug genommen wird, davon ausgegangen sei, dass seine Mutter den landwirtschaftlichen Betrieb aufgegeben habe. Wäre ihm bekannt gewesen, dass der landwirtschaftliche Betrieb noch bestanden habe, hätte er im Zusammenhang mit dem Verkauf der beiden Grundstücke die Betriebsaufgabe erklärt. Da er durch die unzutreffende Aussage des Finanzamtes Grundbesitz und Verkehrssteuern einem unverschuldeten Rechtsirrtum unterlegen sei, beantrage er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 AO hinsichtlich der Abgabe der Betriebsaufgabeerklärung mit Wirkung für das Jahr 2002. Dabei ergebe sich ein nach § 34 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) zu versteuernder Aufgabegewinn von 460.000 EUR. Bei der Beurteilung des Sachverhalts sei auch zu berücksichtigen, dass er insgesamt 388.653 EUR für Pflichtteilsansprüche seiner Stiefschwester sowie Anwaltsgebühren habe aufbringen müssen. Der Veräußerungserlös der beiden Grundstücke habe gerade ausgereicht, um diese Kosten zu begleichen.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 29. März 2006). Das FA führte aus, der Veräußerungsgewinn sei zu Recht erfasst worden, denn die Grundstücke seien mangels Betriebsaufgabeerklärung Betriebsvermögen gewesen. Eine rückwirkende Erklärung zur Betriebsaufgabe sei nach R 139 Abs. 5 Satz 6 Einkommensteuerrichtlinien (EStR) nur für einen Zeitraum bis zu drei Monaten zulässig und könne daher nicht mehr zum 31.12.2002 erfolgen. Da es sich hierbei um keine gesetzliche Frist handle, könne keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 AO gewährt werden. Das Schreiben des Finanzamts für Grundbesitz und Verkehrssteuern, das sich auf die bewertungsrechtliche Beurteilung des Sachverhalts beziehe, sei für die ertragsteuerliche Behandlung des Sachverhalts ebenso unerheblich wi...