Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterscheidung zwischen Erst- und Rückversicherungsunternehmen im Hinblick auf die gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung von Zinsen auf Depotverbindlichkeiten
Leitsatz (redaktionell)
1. Entgelte für Schulden werden unabhängig davon gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG hinzugerechnet, ob das durch die Schuldaufnahme dem Betrieb zugeführte Geldkapital im eigenen Unternehmen verbleibt oder wie z. B. bei durchlaufenden Krediten weitergegeben wird.
2. Die für Erstversicherungsunternehmen geltenden Regelungen des § 66 Abs. 1a Satz 2 VAG a. F. zum Sicherungsvermögen sind für Rückversicherungen nicht anzuwenden. Dies gilt auch, soweit ein Rückversicherungsunternehmen die übernommenen Schadensverpflichtungen seinerseits retrozediert.
3. Es ist gerechtfertigt, die gewerbesteuerliche Einschränkung der Hinzurechnungsnorm des § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG auf Erstversicherungsunternehmen zu beschränken.
4. Auch bei den von einem Rückversicherungsunternehmen gezahlten Zinsen auf Depotverbindlichkeiten handelt es sich begrifflich um Entgelte für Schulden im Sinne von § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG.
5. Es bestehen keine Zweifel an der Vereinbarkeit des § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG mit höherrangigem Recht.
Normenkette
GewStG § 8 Nr. 1 Buchst. a; VAG §§ 121b, 66
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist die gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung von Zinsen auf Depotverbindlichkeiten.
Klägerin ist eine EU-Ausland ansässige Aktiengesellschaft mit inländischer Niederlassung. Gegenstand des Unternehmens ist das Rückversicherungsgeschäft im In- und Ausland sowohl im Lebens- als auch im Nichtlebensbereich. Die im Rahmen des Rückversicherungsgeschäfts übernommenen Risiken werden von der Klägerin sowohl an konzerninterne (Intragroup Retrocession – IGR) als auch an konzernfremde Versicherungsunternehmen (Externe Retrozession) in Retrozession gegeben.
Konzernintern hatte die Klägerin im Bereich „Non Life Retrocession” mit Wirkung zum 1. Januar 2009 einen Quotenrückversicherungsvertrag für das gesamte Non-Life-Geschäft abgeschlossen. Laut Ergänzung Nr. 4 zum Rückversicherungsvertrag vom 18. Dezember 2012 wurden im Streitjahr 2013 Rückversicherungsabgaben in Höhe von 50 % vereinbart. Im Bereich Atom- und Pharma-Haftpflicht zedierte die Klägerin 100 % ihres Portefeuilles.
Im Bereich „Life Retrocession” wurde entsprechend des mit Wirkung zum 1. Januar 2009 abgeschlossenen Quotenrückversicherungsvertrags konzernintern im Streitjahr 2013 eine Rückversicherungsabgabe von 50 % vereinbart. Daneben bestand für das gesamte Life- und Non-Life Portfolio konzernintern noch ein „Stop Loss Vertrag”, mit dem ein Selbstbehalt von … EUR sowie ein Limit von … EUR geregelt wurde.
Ebenfalls konzernintern hatte die Klägerin mit Wirkung zum 1. Januar 2012 einen Quotenrückversicherungsvertrag für das in den Geschäftsbereich „Corporate Solutions” fallende Geschäft abgeschlossen. Gemäß Ergänzung Nr. 2 vom 25. März 2013 zum Rückversicherungsvertrag vom 15. Dezember 2011 betrug die Rückversicherungsabgabe 100 %.
In ihrer Bilanz zum 31. Dezember 2013 wies die Klägerin unter dem Aktivposten Forderungen aus dem in Rückdeckung übernommenen Versicherungsgeschäft in Gesamthöhe von … aus, die in Höhe von … auf den Bereich „Life” und in Höhe von … auf den Bereich „Non Life” entfielen. Unter dem Passivposten waren Depotverbindlichkeiten aus dem in Rückdeckung gegebenen Versicherungsgeschäft in Gesamthöhe von … verzeichnet, die in Höhe von … gegenüber verbundenen Unternehmen bestanden. Auf den Bereich „Life” entfielen … und auf den Bereich „Non Life” …. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Bilanz zum 31. Dezember 2013 sowie den Bericht über die Prüfung des Jahresabschlusses zum 31. Dezember 2013 und des Lageberichtes für das Geschäftsjahr 2013 verwiesen.
Das Finanzamt nahm zunächst eine erklärungsgemäße Veranlagung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung vor (vgl. Bescheide vom 23. Januar 2015).
Im Rahmen einer für die Prüfungsjahre 2010 bis 2013 durchgeführten Außenprüfung vertrat der Prüfer des Finanzamts die Auffassung, dass bei Rückversicherungsunternehmen – anders als bei Erstversicherungsunternehmen – bezüglich der Zinsen auf Depotverbindlichkeiten eine Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. a Gewerbesteuergesetz (GewStG) vorzunehmen sei. Der Prüfer des Finanzamts rechnete daher dem Gewinn aus Gewerbebetrieb ein Viertel der Summe aus Entgelten für Schulden in Höhe von … EUR gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG hinzu (Tz. 5.3.1 des Berichts vom 22. Dezember 2016). Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Bericht vom 22. Dezember 2016 verwiesen.
Das Finanzamt folgte den Feststellungen der Betriebsprüfung und erließ entsprechend geänderte Steuer- und Feststellungsbescheide für 2013. Mit Bescheid vom 1. März 2017 wurde der Gewerbesteuermessbetrag für 2013 auf … EUR festgesetzt. Dabei wurden dem Gewinn aus Gewerbebetrieb unter anderem Entgelte für Schulden in Höhe...