Entscheidungsstichwort (Thema)

Hauptverpflichteter als Schuldner von Eingangsabgaben; Zuständigkeit für die Abgabenerhebung im gemeinschaftlichen Versandverfahren; erweiterte Verjährungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 3 AO; Erlangung der Abfertigungsgebühr kein Verögensvorteil i. S. des § 169 Abs. 3 Satz 3 AO; Frist für die Mitteilung an den Hauptverpflichteten über die Nichtwiedergestellung von Waren

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wird im externen gemeinschaftlichen Versandverfahren das Vesandgut den Bestimmungszollstellen nicht wieder gestellt, ist der Hauptverpflichtete als Verfahrensbeteiligter Schuldner der Eingangsabgaben, ohne dass es darauf ankommt, ob er selbst die Waren der zollamtlichen Überwachung entzogen oder eine Zuwiderhandlung begangen hat oder ob ihm schuldhaftes Verhalten vorzuwerfen ist.

2. Die erweiterte (zehnjährige) Verjährungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 3 AO gilt nur für solche Personen, die gemäß Art. 3 Unterabs. 2 VO (EWG) Nr. 1697/79 zur Erfüllung der Abgabenschuld verpflichtet sind.

3. Die Erlangung der Abfertigungsgebühr ist kein durch die Steuerhinterziehung erlangter Vermögensvorteil i. S. von § 169 Abs. 3 Satz 3 AO. Die Befreiung von der Haftung des Hauptverpflichteten ist ebenfalls kein aus der Steuerhinterziehung erlangter Vermögensvorteil.

4. Zur Zuständigkeit der Abgangszollstelle für die Erhebung der Eingangsabgaben, wenn die zum gemeinschaftlichen Versandverfahren abgefertigten Waren der Bestimmungszollstelle nicht wieder gestellt wurden.

5. Ist ein gemeinschaftliches Versandverahren betrügerisch durch falschen oder gefälschten Erledigungsvermerk im Rückschein erledigt worden, spielt die Einhaltung der 11-Monatsfrist nach Art. 11a VO (EWG) Nr. 1062/87 keine, die Zuständigkeit der Zollbehörde beeinflussende Rolle. Bei dieser Frist handelt es sich nicht um eine Ausschlussfrist, bei deren Überschreitung eine Abgabenanforderung entfallen müsste, sondern um eine Ordnungsfrist.

6. Die Regelung der Benachrichtigung mit Fristsetzung in Art. 36 Abs. 3 VO (EWG) Nr. 222/77 i.d.F. der VO (EWG) Nr. 474/90 i.V.m. Art. 11a Abs. 2 VO (EWG) Nr. 1062/87 i.d.F. der VO (EWG) Nr. 1429/90 dient dazu, dem Hauptverpflichteten eine verhältnismäßig kurze Ausschlussfrist für den Nachweis der ordnungsgemäßen Erledigung des Versandverfahrens bzw. des Ortes der Zuwiderhandlung zu setzen, um Zweifel an der ordnungsgemäßen Erledigung des Versandverfahrens auszuschließen und die Zuständigkeit des Mitgliedstaates für die Abgabenerhebung festzustellen.

 

Normenkette

ZKDV Art. 378 Abs. 1, Art. 379 Abs. 2; ZK Art. 204 Abs. 1; EWGV 222/77 Art. 36 Abs. 3; EWGV 474/90; EWGV 1062/87 Art. 11a Abs. 2; EWGV 1429/90; AO 1977 § 169 Abs. 2 S. 3; EWGV 1697/79 Art. 3; AO 1977 § 169 Abs. 3 S. 3; EWGV 222/77 Art. 13 Buchst. a

 

Gründe

I.

Streitig ist, ob die Klägerin zu Recht als Hauptverpflichtete für Einfuhrabgaben für Versandgut in Anspruch genommen wird, das nicht wiedergestellt wurde.

Die Klägerin beantragte im Zeitraum vom 4. Mai bis 23. November 1990 für 28 Sendungen als Hauptverpflichteter beim Hauptzollamt – HZA – Zollamt – ZA – … die Abfertigung von Lebendvieh aus der Tschechischen Republik zum externen gemeinschaftlichen Versandverfahren – gVV – und zwar

  • mit Bestimmungszollstelle

    • T1 Nr. 1456 vom 4. Mai 1990 (Steuerbesch. v. 25.1.93),
    • T1 Nr. 1800 vom 10. Mai 1990 (Steuerbesch. v. 25.1.93),
    • T1 Nr. 1940 vom 14. Mai 1990 (Steuerbesch. v. 26.1.93),
    • T1 Nr. 2474 vom 25. Mai 1990 (Steuerbesch. v. 26.1.93),
    • T1 Nr. 2793 vom 30. Mai 1990 (Steuerbesch. v. 26.1.93),
    • T1 Nr. 3659 vom 15. Juni 1990 (Steuerbesch. v. 26.1.93);
  • mit Bestimmungszollstelle

    • T1 Nr. 7477 vom 27. September 1990 (Steuerbesch. v. 5.5.93),
    • T1 Nr. 1311 vom 9. Oktober 1990 (Steuerbesch. v. 5.5.93),
    • T1 Nr. 1688 vom 12. Oktober 1990 (Steuerbesch. v. 5.5.93),
    • T1 Nr. 2455 vom 20. Oktober 1990 (Steuerbesch. v. 4.5.93),
    • T1 Nr. 3810 vom 31. Oktober 1990 (Steuerbesch. v. 4.5.93),
    • T1 Nr. 4734 vom 9. November 1990 (Steuerbesch. v. 5.7.94),
    • T1 Nr. 4797 vom 9. November 1990 (Steuerbesch. v. 12.8.93),
    • T1 Nr. 5655 vom 16. November 1990 (Steuerbesch. v. 5.7.94),
    • T1 Nr. 6459 vom 23. November 1990 (Steuerbesch. v. 4.5.93);
  • mit Bestimmungszollstelle

    • T1 Nr. 1927 vom 28. Juli 1990 (Steuerbesch. v. 4.5.93),
    • T1 Nr. 2789 vom 9. August 1990 (Steuerbesch. v. 4.5.93),
    • T1 Nr. 3290 vom 17. August 1990 (Steuerbesch. v. 4.5.93),
    • T1 Nr. 3798 vom 23. August 1990 (Steuerbesch. v. 4.5.93),
    • T1 Nr. 4380 vom 30. August 1990 (Steuerbesch. v. 5.7.94),
    • T1 Nr. 4424 vom 31. August 1990 (Steuerbesch. v. 12.8.93),
    • T1 Nr. 5007 vom 6. September 1990 (Steuerbesch. v. 5.5.93),
    • T1 Nr. 5669 vom 12. September 1990 (Steuerbesch. v. 5.5.93),
    • T1 Nr. 6524 vom 20. September 1990 (Steuerbesch. v. 5.5.93),
    • T1 Nr. 6616 vom 20. September 1990 (Steuerbesch. v. 5.5.93),
    • T1 Nr. 236 vom 1. Oktober 1990 (Steuerbesch. v. 5.5.93);
  • mit Bestimmungszollstelle

    • T1 Nr. 400 vom 4. Juli 1990 (Steuerbesch. v. 4.5.94),
    • T1 Nr. 2736 vom 8. August 1990 (Steuerbesch. v. 5.7.94).

Zwar sind für die str. gVV Rückscheine beim HZA eingegangen (für die gVV T1 Nrn...

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