Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtberücksichtigung des Versorgungsfreibetrags. Offenbare Unrichtigkeit. Grobes Verschulden des Steuerpflichtigen
Leitsatz (redaktionell)
Ein Steuerbescheid, in dem der Versorgungsfreibetrag nach § 19 Abs. 2 EStG nicht berücksichtigt wurde, weil der Steuerpflichtige in der Steuererklärung nicht angegeben hatte, dass es sich um Versorgungsbezüge handelt, ist nicht nach § 129 AO änderbar.
Normenkette
EStG § 19 Abs. 2; AO §§ 129, 173 Abs. 1 Nr. 2
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Kläger sind Ehegatten und wurden im Streitjahr 2003 beim beklagten Finanzamt (FA) zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt.
Die Kläger erzielten im Streitjahr 2003 beide Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. Der Kläger erzielte seit 1. April 2004 Renteneinkünfte, da er schwerbehindert war und im März 2003 das 60. Lebensjahr vollendete. In der gemeinsamen ESt-Erklärung der Kläger wurden die Renteneinkünfte des Klägers in der Anlage SO erklärt. Als Berufsbezeichnung auf dem Mantelbogen der ESt-Erklärung war für den Kläger „Rentner” vermerkt. In den Vorjahren war „Vorruhestand” oder „Angestellter” angegeben.
Auf der der ESt-Erklärung beigefügten Lohnsteuerkarte 2003 des Klägers waren zwei Lohnzahlungszeiträume vermerkt: einmal vom 1. Januar bis 31. März 2003 (9.027,94 EUR) und einmal vom 1. April bis 31. Dezember 2003 (3.661,82 EUR). In der dafür vorgesehenen Spalte auf der Lohnsteuerkarte war für keinen Lohnzahlungszeitraum vermerkt, dass es sich bei den Auszahlungen um steuerbegünstigte Versorgungsbezüge handelt. Für beide Lohnzahlungszeiträume waren Arbeitnehmeranteile zum Gesamtsozialversicherungsbetrag vermerkt.
Auf der Anlage N des Klägers für 2003 wurde in Zeile 2 der zusammengefasste Bruttoarbeitslohn aus den o. g. Zeiträumen erklärt. In Zeile 8 war nicht vermerkt, ob und inwieweit es sich bei den Angaben zum Bruttoarbeitslohn in Zeile 2 in Höhe von 12.691 EUR um Versorgungsbezüge handelt.
Die ESt 2003 wurde mit Bescheid vom 10. Februar 2005 auf 7.554 EUR festgesetzt. An die Steuerfestsetzung schloss sich ein Einspruchsverfahren an, in dem u.a. die Höhe der zu erfassenden, in 2003 dem Ehemann zugeflossenen Renten gemäß Anlage SO streitig war. Das Einspruchsverfahren wurde mit Einspruchsentscheidung vom 31. August 2005 abgeschlossen, mit der die ESt 2003 auf 7.490 EUR festgesetzt. Eine Klage wurde dagegen nicht erhoben.
Mit Schreiben vom 20. Dezember 2005, auf das hinsichtlich der Einzelheiten Bezug genommen wird, beantragten die Kläger, bei den Einkünften des Klägers einen Versorgungsfreibetrag nach § 19 Abs. 2 EStG in Höhe von 3.072 EUR zu berücksichtigen. Das FA lehnte mit Bescheid vom 13. Januar 2006 die beantragte Änderung des ESt-Bescheids ab und begründete dies damit, dass eine Änderung der Festsetzung für 2003 wegen der Bestandskraft des Bescheids nicht mehr möglich sei. Wiedereinsetzungsgründe nach § 110 Abgabenordnung (AO) lägen nicht vor; Korrekturvorschriften nach §§ 172 ff. AO seien nicht einschlägig.
Gegen die Ablehnung der Änderung des ESt-Bescheids 2003 legten die Kläger Einspruch ein, der damit begründet wurde, dass ein Versorgungsfreibetrag zumindest in Höhe von 40 % der nichtselbständigen Einkünfte 2003 in Höhe von 12.691 EUR, maximal 4.072 EUR zu gewähren sei. Der Kläger habe auch mit seinem Vorruhestandsgeld bis 31. März 2003 begünstigte Versorgungsbezüge erhalten. Er beziehe ab 1. Juni 2001 Vorruhestandsbezüge aufgrund einer Vereinbarung mit seinem ehemaligen Arbeitgeber. Der entsprechende Vertrag habe dem FA bei der Veranlagung 2001 vorgelegen. Daher lägen ab 1. Juni 2001 Versorgungsbezüge gemäß § 19 Abs. 2 EStG vor. Eine Aufteilung der Beträge auf der Anlage N sei daher nicht erforderlich gewesen; die Kläger hätten davon ausgehen dürfen, dass die Versorgungsbezüge ordnungsgemäß nachgewiesen worden seien. Das FA habe den Versorgungsfreibetrag ferner gewähren müssen, weil aus den übrigen Angaben in der Erklärung zur Berufsbezeichnung des Klägers, zum Rentenbezug und zur Schwerbehinderung erkennbar gewesen sei, dass er Versorgungsbezüge beziehe. Eine Änderung müsse daher nach § 129 AO erfolgen. Ferner müsse eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO erfolgen. Ein Verschulden treffe die Kläger nicht bzw. sei unbeachtlich, da das FA aufgrund der übrigen Angaben in der ESt-Erklärung 2003 und den Vorjahren verpflichtet gewesen wäre nachzufragen, ob und inwieweit Versorgungsbezüge vorliegen. Der Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 7. April 2006).
Dagegen richtet sich die Klage. Die Nichtberücksichtigung des Versorgungsfreibetrags – so die Kläger – sei eine offenbare Unrichtigkeit nach § 129 AO, denn dem FA sei bei der ESt-Veranlagung 2003 bekannt gewesen, dass
- sich der Kläger seit 1. Juni 2001 in Vorruhestand befunden habe
- schwerbehindert sei und am 20. März 2003 das 60. Lebensjahr vollendet habe
- als Beruf in der ESt-Erklärung 2003 „Rent...